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Ein Earl mit Mut und Leidenschaft

Titel: Ein Earl mit Mut und Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Quinn
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haben.“
    „Blau“, flüsterte Anne, die urplötzlich von einer Woge von Heimweh überrollt wurde. „Und grün.“
    Die Augen ihrer Schwestern waren ebenfalls blau und grün, doch Anne hatte sich wieder in der Gewalt, ehe sie auch noch damit herausplatzen konnte.
    Er neigte den Kopf, stellte aber keine Fragen, und dafür war sie ihm wahnsinnig dankbar. Stattdessen sagte er: „Mein Vater hatte genau dieselben Augen wie ich.“
    „Und deine Mutter?“ Anne war seiner Mutter begegnet, hatte aber nicht auf deren Augen geachtet. Und sie wollte, dass sich das Gespräch weiter hauptsächlich um ihn drehte. Das machte alles leichter.
    Ganz zu schweigen davon, dass sie dieses Thema tatsächlich fesselte.
    „Meine Mutter hat ebenfalls blaue Augen“, sagte er, „aber dunkler. Nicht so dunkel wie deine ...“ Er drehte den Kopf, musterte sie einen Moment. „Aber ich muss sagen, ich glaube nicht, dass ich schon einmal Augen wie deine gesehen habe. Sie wirken beinahe violett.“ Er legte den Kopf schief. „Aber das sind sie nicht. Sie sind blau.“
    Anne lächelte und wandte den Blick ab. Sie war schon immer stolz auf ihre Augen gewesen. Jetzt war es die einzige Eitelkeit, die sie sich noch gestattete. „Von Weitem sehen sie immer braun aus“, sagte sie.
    „Umso mehr Grund, die Zeit zu genießen, in der man sie aus nächster Nähe betrachten kann“, murmelte er.
    Sie hielt den Atem an und warf ihm einen verstohlenen Blick zu, doch er schaute sie nicht länger an. Stattdessen zeigte er nach vorn und sagte: „Kannst du den See schon entdecken? Direkt hinter den Bäumen.“
    Anne reckte den Hals und sah zwischen den Baumstämmen silbernes Wasser glitzern.
    „Im Winter sieht man den See ziemlich gut, aber die Blätter verdecken ihn.“
    „Es ist wunderschön“, sagte Anne ehrlich. Auch jetzt, da der Blick auf das Wasser nicht sonderlich gut war, war es idyllisch. „Wird der See so warm, dass man darin schwimmen kann?“
    „Nicht mit Absicht, aber früher oder später ging jedes Familienmitglied im See baden.“
    Anne lachte. „Ach herrje.“
    „Manche von uns mehr als einmal“, sagte Lord Winstead betreten.
    Sie blickte zu ihm hinüber, und er sah so hinreißend jungenhaft aus, dass es ihr schlicht die Sprache verschlug. Wie ihr Leben wohl verlaufen wäre, wenn sie mit sechzehn ihm begegnet wäre und nicht George Chervil? Oder wenn schon nicht ihm (einen Earl hätte sie nicht einmal als Annelise Shawcross heiraten können), dann jemandem, der war wie er. Jemandem namens Daniel Smythe oder Daniel Smith. Aber es wäre Daniel gewesen. Ihr Daniel.
    Er wäre vielleicht Erbe eines Gutes gewesen, hätte gar keinen Titel gehabt, wäre ein einfacher Landedelmann gewesen mit einem kleinen, gemütlichen Haus, vier Hektar Land und einem Rudel träger Hunde.
    Und sie hätte es geliebt. Jeden einzelnen alltäglichen Moment.
    War sie wirklich einmal auf Aufregungen aus gewesen? Mit sechzehn hatte sie gedacht, sie wolle unbedingt nach London, Theater und Opern besuchen und jede Gesellschaft, zu der sie eine Einladung bekam. Eine flotte verheiratete junge Frau -das hatte sie sein wollen, wie sie Charlotte damals erzählt hatte.
    Aber das war nichts als jugendliche Torheit gewesen. Selbst wenn sie einen Mann geheiratet hätte, der sie nach London gebracht und ins glitzernde Leben des ton eingeführt hätte, wäre sie des Ganzen doch bestimmt überdrüssig geworden.
    Gewiss hätte sie sich bald nach Northumberland gesehnt, wo die Uhren langsamer tickten und die Luft nicht rußig, sondern nebelig war.
    Alles, was sie gelernt hatte, hatte sie zu spät gelernt.
    „Sollen wir diese Woche einmal angeln gehen?“, fragte er, als sie an dem Ufer des Sees angelangt waren.
    „Oh, das wäre himmlisch.“ Die Worte sprudelten ihr nur so über die Lippen. „Die Mädchen müssen wir natürlich auch mitnehmen.“
    „Natürlich“, bestätigte er, ganz der Gentleman.
    Eine Weile standen sie schweigend da. Anne hätte den ganzen Tag dort bleiben und auf das stille, glatte Wasser hinausblicken können. Hin und wieder durchbrach ein Fisch die Oberfläche, worauf sich an dieser Stelle konzentrische Ringe wie auf einer Schießscheibe ausbreiteten.
    „Wenn ich ein Junge wäre“, sagte Daniel, ebenso begeistert vom Wasser wie sie, „müsste ich jetzt einen Stein über das Wasser hüpfen lassen.“
    Daniel. Seit wann sprach sie ihn in Gedanken mit dem Vornamen an?
    „Wenn ich ein Mädchen wäre“, sagte sie, „müsste ich Strümpfe und Schuhe

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