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Ein Earl mit Mut und Leidenschaft

Titel: Ein Earl mit Mut und Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Quinn
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vermutlich noch später.
    „Gehen wir ein wenig spazieren.“ Er bot ihr den Arm.
    Misstrauisch beäugte sie ihn.
    „Ich habe nicht bei allem, was ich tue, unlautere Absichten“, sagte er und lachte. „Ich dachte, ich könnte dir einen meiner Lieblingsorte hier auf Whipple Hill zeigen.“ Als sie sich bei ihm einhakte, fügte er hinzu: „Der See ist nicht weit.“
    „Gibt es Fische darin?“, erkundigte sie sich. Sie konnte sich nicht daran entsinnen, wann sie zum letzten Mal angeln gegangen war, aber als Kind hatte ihr das großen Spaß gemacht. Sie und Charlotte waren der Fluch ihrer Mutter gewesen, die gewünscht hatte, dass sie sich die Zeit auf weiblichere Art vertrieben. Was sie irgendwann auch gemacht hatten. Aber selbst nachdem Anne angefangen hatte, sich für Kleider zu begeistern und genau aufzupassen, wie oft ein heiratsfähiger junger Mann eine heiratsfähige junge Dame ansah ...
    War sie immer noch furchtbar gern angeln gegangen. Sie hatte sogar das Schuppen und Ausnehmen der Fische übernommen. Und natürlich das Essen. Sie konnte nicht leugnen, wie befriedigend sie es fand, ihr eigenes Essen zu fangen.
    „Es sollten welche darin sein“, antwortete Lord Winstead. „Vor meiner Abreise wurde der See mit Fischen bestückt, und ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Verwalter die Anweisung missachtet hat.“ Ihr Blick musste ihr Entzücken verraten haben, denn er lächelte nachsichtig und fragte: „Demnach gehst du gern angeln?“
    „Ach, furchtbar gern“, erwiderte sie und seufzte sehnsüchtig. „Als Kind ...“ Aber sie beendete den Satz nicht. Einen Moment lang hatte sie vergessen, dass sie nicht von ihrer Kindheit sprechen wollte, jetzt war es ihr wieder eingefallen.
    Aber wenn er neugierig war - und sie war davon überzeugt, dass er das war -, so ließ er es sich nicht anmerken. Während sie den sanft geneigten Pfad zu einem kleinen Wäldchen hinabschlenderten, sagte er nur: „Ich habe als Kind auch gern geangelt. Ich war dauernd mit Marcus hier - Lord Chatteris“, fügte er hinzu, da sie den Earl natürlich nicht mit Vornamen kannte.
    Anne nahm die Landschaft in sich auf. Es war ein herrlicher Frühlingstag, in den Blättern und dem Gras schienen hundert verschiedene Grüntöne ineinanderzufließen. Die Welt fühlte sich völlig neu an, und täuschend hoffnungsvoll. „War Lord Chatteris als Kind oft zu Besuch?“, fragte sie, darauf bedacht, die Unterhaltung in harmlosen Bahnen zu halten.
    „Ständig“, erwiderte Lord Winstead. „Oder zumindest in den Ferien. Als wir dann dreizehn waren, bin ich ohne ihn gar nicht mehr nach Hause gefahren, glaube ich.“ Sie gingen noch ein Stück, und dann streckte er eine Hand aus und pflückte ein tief hängendes Blatt ab. Er betrachtete es, runzelte die Stirn, schnipste es dann mit den Fingern fort. Es wirbelte durch die Luft, und etwas an seiner Bewegung entfaltete anscheinend faszinierende Wirkung, denn Anne und er blieben stehen und sahen zu, wie es langsam ins Gras segelte.
    Und dann nahm Lord Winstead den Gesprächsfaden wieder auf, als hätte es diesen Moment nie gegeben. „Marcus hatte kaum Familie. Keine Geschwister, und seine Mutter starb, als er noch ziemlich klein war.“
    „Und sein Vater?“
    „Ach, mit dem hat er kaum geredet.“ Er erzählte das äußerst beiläufig, als wären ein Vater und ein Sohn, die nicht miteinander sprachen, nicht weiter ungewöhnlich. Irgendwie passt das nicht recht zu ihm, dachte Anne. Es war nicht direkt gefühllos, aber ... Nun, sie wusste nicht, wie sie es benennen sollte, nur dass es sie überraschte. Und dann war sie überrascht, dass sie ihn bereits gut genug kannte, um eine Unstimmigkeit zu bemerken.
    Überrascht und vielleicht ein wenig besorgt, denn eigentlich hätte sie ihn nicht so gut kennen dürfen. Das schickte sich nicht für sie, eine solche Verbindung konnte nur mit einem gebrochenen Herzen enden. Sie wusste das, und er sollte es auch wissen.
    „Waren sie entfremdet?“ Ihr Interesse an Lord Chatteris’ Geschichte war aufrichtig. Sie kannte den Earl zwar nicht, war ihm nur einmal kurz über den Weg gelaufen, aber anscheinend hatten sie etwas gemeinsam.
    Lord Winstead schüttelte den Kopf. „Nein. Ich glaube eher, dass der ältere Lord Chatteris einfach nichts zu sagen hatte.“ „Auch nicht zu seinem eigenen Sohn?“
    Er zuckte mit den Achseln. „Das ist gar nicht so abwegig. Die Hälfte meiner Schulkameraden hätten vermutlich nicht sagen können, welche Augenfarbe ihre Eltern

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