Ein Earl mit Mut und Leidenschaft
dürfen.“
„Das wäre sehr nett“, entgegnete Anne und versuchte ein Gähnen zu unterdrücken. „Ich würde mich über ihre Gesellschaft freuen.“
„Erst müssen Sie sich erholen“, erklärte Lady Pleinsworth entschieden.
Anne nickte und ließ sich ein wenig tiefer in die Kissen sinken. „Bestimmt wollen Sie auch wissen, wie es Lord Winstead geht“, fuhr Lady Pleinsworth fort.
Anne nickte noch einmal. Das wollte sie tatsächlich unbedingt wissen, aber sie hatte sich gezwungen, nicht nachzufragen.
Lady Pleinsworth beugte sich vor, und in ihrem Blick lag etwas, das Anne nicht zu deuten wusste. „Er wäre beinahe zusammengebrochen, nachdem er Sie nach Hause gebracht hatte.“ „Tut mir leid“, wisperte Anne.
Doch wenn Lady Pleinsworth sie gehört hatte, ließ sie es sich nicht anmerken. „Eigentlich muss man wohl sagen, dass er wahrhaftig zusammengebrochen ist. Zwei Lakaien mussten ihm aufhelfen und ihn praktisch in sein Zimmer tragen. Wirklich, so habe ich ihn noch nie erlebt.“
Anne spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. „Oh, tut mir leid. Tut mir schrecklich leid.“
Lady Pleinsworth warf ihr einen merkwürdigen Blick zu, fast als hätte sie vergessen, mit wem sie da sprach. „Dazu besteht kein Anlass. Sie können nichts dafür.“
„Ich weiß, aber...“ Anne schüttelte den Kopf. Sie wusste nicht, was sie wusste. Sie wusste überhaupt nichts mehr.
„Trotzdem“, meinte Lady Pleinsworth mit einer eleganten Handbewegung, „sollten Sie ihm dankbar sein. Er hat Sie über eine Meile weit getragen, müssen Sie wissen. Und dabei war er selbst verletzt.“
„Ich bin ihm dankbar“, sagte Anne ruhig. „Sehr sogar.“
„Die Zügel sind gerissen“, berichtete Lady Pleinsworth. „Ich muss sagen, ich bin fassungslos. Es ist einfach gewissenlos, dass eine so schlecht gewartete Kutsche die Remise überhaupt verlassen darf. Da wird wohl jemand seine Stellung verlieren, befürchte ich.“
Die Zügel, dachte Anne. Das leuchtete ihr ein. Es war alles so schnell passiert.
„Jedenfalls müssen wir angesichts der Schwere des Unfalls dankbar sein, dass Sie beide nicht schwerer verletzt wurden“, fügte Lady Pleinsworth hinzu. „Obwohl wir Sie wegen der Beule an Ihrem Kopf unter genauer Beobachtung halten müssen.“
Anne berührte die schmerzende Stelle noch einmal und verzog das Gesicht.
„Tut es weh?“
„Ein wenig“, gab Anne zu.
Lady Pleinsworth schien nicht so recht zu wissen, was sie mit dieser Information anfangen sollte. Sie rutsche auf ihrem Sitz herum, straffte die Schultern und sagte dann schließlich: „Nun gut. “
Anne versuchte zu lächeln. Es war lächerlich, aber sie hatte fast das Gefühl, als wäre es ihre Aufgabe, dass Lady Pleinsworth sich besser fühlte. Vermutlich hing das damit zusammen, dass sie schon so viele Jahre in Stellung war; sie wollte es ihren Dienstherrn immer recht machen.
„Der Arzt wird bald hier sein“, sprach Lady Pleinsworth schließlich weiter, „aber vorher lasse ich Lord Winstead noch ausrichten, dass Sie aufgewacht sind. Er hat sich große Sorgen um Sie gemacht.“
„Dank...“, begann Anne, doch offenbar war Lady Pleinsworth noch nicht fertig.
„Eines ist ja doch merkwürdig“, sagte sie und presste die Lippen zusammen. „Wie kam es eigentlich, dass Sie bei ihm in der Kutsche saßen? Ich hatte ihn kurz davor noch auf Whipple Hill gesehen.“
Anne schluckte. Eine derartige Unterhaltung konnte nur mit äußerster Vorsicht geführt werden. „Ich bin ihm im Dorf begegnet“, sagte sie. „Es fing gerade an zu regnen, und er bot mir an, mich nach Whipple Hill mitzunehmen.“ Sie wartete einen Augenblick, doch als Lady Pleinsworth nicht antwortete, ergänzte sie noch: „Ich war ihm sehr dankbar dafür.“
Lady Pleinsworth überlegte einen Moment und meinte dann: „Ja, in dieser Hinsicht ist er immer sehr großzügig. Obwohl sich herausgestellt hat, dass Sie in diesem speziellen Fall wohl besser zu Fuß gegangen wären.“ Sie stand auf und tätschelte die Bettdecke. „Sie müssen sich nun ausruhen. Aber schlafen Sie noch nicht. Man hat mir gesagt, ehe der Arzt kommt und Sie untersucht, dürfen Sie nicht schlafen.“ Sie runzelte die Stirn. „Ich glaube, ich schicke Ihnen Frances doch gleich rein. Zumindest wird sie Sie wachhalten.“
Anne lächelte. „Vielleicht könnte sie mir etwas vorlesen. Sie hat das Vorlesen schon länger nicht mehr geübt, und ich hätte gern, dass sie an ihrer Aussprache arbeitet.“
„Auch
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