Ein Earl mit Mut und Leidenschaft
großzügig hingegeben, diesen Fehler würde sie kein zweites Mal begehen. Und es wäre einfach zu grausam, einem Fremden zu Willen zu sein, während sie Daniel daran gehindert hatte, die Vereinigung zu vollenden.
Sie hatte Nein gesagt, weil ... Sie wusste es nicht einmal mehr so genau. Aus Gewohnheit vielleicht. Aus Angst. Sie wollte kein uneheliches Kind zur Welt bringen, ebenso wenig wollte sie einen Mann zu einer Ehe zwingen, der normalerweise nie eine Frau wie sie gewählt hätte.
Vor allem aber hatte sie sich selbst schützen müssen. Weniger ihren Stolz, es war etwas anderes, etwas Tieferes.
Ihr Herz.
Ihr Herz war das einzig Reine, das ihr geblieben war. Es gehörte niemand anderem als ihr selbst. Ihren Körper hatte sie George geschenkt, doch ihr Herz hatte er nie besessen, trotz allem, was sie damals gemeint hatte zu empfinden. Und als Daniel sich schon an seinem Hosenbund zu schaffen machte, um mit ihr zu schlafen, war ihr klar gewesen, wenn sie es ihm erlaubte, wenn sie es sich selbst erlaubte, würde er ihr Herz für immer besitzen.
Aber am Ende war sie die Dumme. Er besaß es längst. Sie hatte etwas wirklich Törichtes gemacht. Sie hatte sich in einen Mann verliebt, den sie nie haben konnte.
Daniel Smythe-Smith, Earl of Winstead, Viscount Streathermore, Baron Touchton of Stoke. Sie wollte nicht an ihn denken, aber sie tat es, sobald sie die Augen schloss. Sein Lächeln, sein Lachen, die Glut in seinem Blick, wenn er sie ansah.
Sie glaubte nicht, dass er sie liebte, diesem Gefühl aber ziemlich nahe gekommen war. Zumindest hatte er sich etwas aus ihr gemacht. Und wenn sie eine andere gewesen wäre, wenn sie einen Namen und eine gesellschaftliche Stellung gehabt hätte, wenn kein Verrückter hinter ihr her gewesen wäre, der sie umbringen wollte ... Vielleicht hätte sie dann, als er so leichtfertig sagte: „Und wenn ich dich nun heiraten würde?“, freudig die Arme um ihn geschlungen und gerufen: „Ja! Ja! Ja!“
Aber ihr Leben bot nicht viel Platz für Freude. Ihr Leben bestand aus Verzicht. Und es hatte sie schließlich hierher geführt, wo sie nun so allein war, wie selbst in den acht Jahren zuvor nicht.
Ihr Magen knurrte vernehmlich, und Anne seufzte. Sie hatte einen Bärenhunger, aber sie hatte vergessen, sich etwas zu essen zu kaufen, bevor sie in die Pension zurückgekehrt war. Vermutlich war das ganz gut so; sie wollte versuchen, mit ihrem Geld möglichst lang auszukommen.
Wieder rumpelte es in ihrem Magen, diesmal vor Ärger, und Anne richtete sich auf. „Nein“, sagte sie laut. Obwohl sie eigentlich „Ja“ hatte sagen wollen. Sie hatte Hunger, verdammt, und sie würde sich etwas zu essen besorgen. Einmal in ihrem Leben wollte sie Ja sagen, selbst wenn es nur einem Fleischpastetchen und einem Viertelliter Apfelwein galt.
Sie sah zu ihrem Kleid, das säuberlich gefaltet auf dem Stuhl lag. Sie hatte keine Lust, es wieder anzuziehen. Ihr Mantel bedeckte sie von Kopf bis Fuß. Wenn sie Schuhe und Strümpfe anzog und sich das Haar aufsteckte, würde niemand ahnen, dass sie im Nachthemd unterwegs war.
Sie lachte, das erste Mal seit Tagen. Was für eine merkwürdige Art, sich schamlos zu zeigen.
Ein paar Minuten später war sie draußen auf der Straße und ging zu einem kleinen Imbiss, an dem sie am vorigen Tag vorbeigekommen war. Bisher war sie noch nie drin gewesen, doch die Düfte, die nach außen drangen, wenn die Tür geöffnet wurde ... himmlisch. Fleischpastetchen, Hackbraten, heiße Brötchen und Gott weiß was für andere Köstlichkeiten.
Sie empfand beinahe Glück, als sie ihre warme Mahlzeit in Händen hielt. Der Imbissbesitzer hatte ihr das Pastetchen in Papier eingepackt, und Anne wollte es mit auf ihr Zimmer nehmen. Manche Gewohnheiten ließen sich nicht so schnell ablegen; sie war immer noch zu sehr vornehme Dame, um auf der Straße zu essen, ganz egal, was die anderen Leute ringsum taten. Gegenüber der Pension konnte sie den Apfelwein besorgen, und auf ihrem Zimmer ...
„Du!“
Anne ging weiter. Auf den Straßen dieses Viertels war es immer so laut, ständig wurde herumgeschrien, dass sie gar nicht auf die Idee kam, dass sie mit diesem „Du!“ gemeint sein könnte. Doch dann hörte sie es noch einmal, diesmal aus der Nähe.
„Annelise Shawcross.“
Sie drehte sich nicht einmal um. Sie kannte die Stimme, und vor allem kannte die Person, zu der die Stimme gehörte, ihren wahren Namen. Sie begann ihre Schritte zu beschleunigen.
Das kostbare Essen fiel zu
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