Ein Earl mit Mut und Leidenschaft
in die Halle.
Ihre Blicke begegneten sich, und sie hielt den Atem an. Doch der Butler nickte nur und sagte: „Miss Wynter.“
Sie nickte und knickste dann ehrerbietig. „Mr Granby.“
„Ein schöner Tag heute, nicht wahr?“
Sie schluckte. „Sehr schön.“
„Heute ist Ihr freier Nachmittag, nicht wahr?“
„Jawohl, Sir.“
Er nickte noch einmal und sagte dann, als wäre nichts weiter Ungewöhnliches geschehen: „Na, dann wollen wir mal weitermachen.“
Weitermachen.
Tat sie das nicht immer? Drei Jahre auf der Isle of Man, wo sie nie Leuten ihres Alters begegnet war, mit Ausnahme von Mrs Summerlins Neffen, der sich einen Spaß daraus gemacht hatte, sie um den Esszimmertisch zu jagen. Dann neun Monate in der Nähe von Birmingham, nur um ohne Zeugnis auf die Straße gesetzt zu werden, als Mrs Barraclough Mr Barraclough dabei ertappt hatte, wie er an ihre Tür klopfte. Dann drei Jahre in Shropshire, wo es ganz nett gewesen war. Ihr Dienstherr war eine Witwe gewesen, ihre Söhne studierten bereits und waren kaum zu Hause. Doch dann hatten ihre Töchter die Frechheit besessen, erwachsen zu werden, worauf man Anne mitgeteilt hatte, dass ihre Dienste nicht länger benötigt würden.
Doch sie hatte weitergemacht. Sie hatte sich ein zweites Empfehlungsschreiben besorgt, das sie für die Bewerbung bei den Pleinsworths gebraucht hatte. Und jetzt, da sie diese Stelle verlassen musste, würde sie wieder weitermachen.
Allerdings hatte sie keine Ahnung, wohin sie sich nun wenden sollte.
17. Kapitel
Am folgenden Tag traf Daniel genau fünf Minuten vor elf am Pleinsworth House ein. Im Geiste hatte er eine Liste Fragen vorbereitet, die er Anne stellen wollte, doch als der Butler ihn einließ, war das ganze Haus in Aufruhr. Harriet und Elizabeth schrien sich im hinteren Teil der Eingangshalle an, ihre Mutter wiederum schrie die beiden an, und vor dem Salon saßen drei Dienstmädchen auf einer Bank ohne Lehne und schluchzten.
„Was ist denn los?“, fragte er Sarah, die versuchte, eine sichtlich verstörte Frances in den Salon zu lotsen.
Sarah warf ihm einen ungeduldigen Blick zu. „Es ist wegen Miss Wynter. Sie ist verschwunden.“
Daniel blieb das Herz stehen. „Was? Wann? Was ist passiert?“ „Ich weiß es nicht“, fuhr Sarah ihn an. „Sie hat mich nicht in ihre Pläne eingeweiht.“ Sie warf ihm einen verärgerten Blick zu, ehe sie sich wieder Frances zuwandte, die so heftig weinte, dass sie kaum Luft bekam.
„Sie ist nicht zum Unterricht heute Morgen erschienen“, schluchzte Frances.
Daniel sah seine kleine Cousine an. Frances’ Augen waren rotgerändert, ihre Wangen waren tränenverschmiert, und sie zitterte am ganzen Leib. Sie sieht so aus wie ich mich fühle, dachte er. Er ging neben ihr in die Hocke, damit er ihr in die Augen schauen konnte. „Wann fängt euer Unterricht an?“, fragte er.
Frances rang nach Luft, stieß dann hervor: „Halb zehn.“ Daniel wirbelte zu Sarah herum. „Sie ist seit beinahe zwei Stunden verschwunden und keiner hat mich benachrichtigt?“
„Frances, bitte“, flehte Sarah, „du musst versuchen, dich zu beruhigen. Und, nein“, fuhr sie, an Daniel gewandt, wütend fort, „niemand hat dich benachrichtigt. Warum hätten wir das tun sollen?“
„Spiel jetzt keine Spielchen mit mir, Sarah“, warnte er sie. „Sehe ich so aus, als würde ich Spielchen spielen?“, zischte sie. Dann sagte sie mit sanfterer Stimme zu ihrer Schwester: „Frances, Liebling, bitte versuch mal, tief durchzuatmen.“
„Man hätte mich informieren müssen“, sagte Daniel scharf. Er verlor allmählich die Geduld. Annes Feind - und dass sie einen hatte, davon war er inzwischen überzeugt - hätte sie auch direkt aus dem Bett heraus entführen können. Daniel brauchte Antworten, kein selbstgerechtes Gemecker. „Sie ist seit mindestens eineinhalb Stunden verschwunden“, sagte er zu ihr. „Ihr hättet...“
„Was?“, unterbrach Sarah ihn. „Was hätten wir tun sollen? Wertvolle Zeit verschwenden, um dich zu benachrichtigen? Dich, der du gar nichts mit ihr zu tun hast? Deine Absichten ... “ „Ich werde sie heiraten“, erklärte er da.
Frances hörte auf zu weinen, hob das Gesicht zu ihm. Ihre Augen glänzten vor Hoffnung. Sogar die Dienstmädchen, die immer noch zu dritt auf der Bank saßen, hörten auf zu weinen. „Was hast du gesagt?“, flüsterte Sarah.
„Ich liebe sie“, sagte er, wobei er das selbst erst in dem Moment begriffen hatte, als er die Worte laut aussprach.
Weitere Kostenlose Bücher