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Ein Earl mit Mut und Leidenschaft

Titel: Ein Earl mit Mut und Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Quinn
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zu Hause wären. Sie hatten ihn zwar nicht gefragt, was er neuerdings von früh bis spät trieb, und er hatte es ihnen auch nicht gesagt, aber sie wussten es. Und es war einfacher, wenn er das Mitleid in ihrem Blick nicht zu sehen brauchte.
    Er hatte Winstead House erreicht, und alles war ruhig, was er als Segen empfand. Das einzige Geräusch war sein eigenes Stöhnen, als er den Fuß auf die erste Stufe der Eingangstreppe setzte. Das heißt, das einzige Geräusch, bis jemand seinen Namen flüsterte.
    Er erstarrte. „Anne?“
    Eine Gestalt trat aus dem Schatten. „Daniel“, flüsterte sie noch einmal, und wenn sie noch etwas hinzufügte, so hörte er es nicht. Im nächsten Augenblick lag sie in seinen Armen, und zum ersten Mal seit fast einer Woche verspürte er wieder so etwas wie Zuversicht.
    „Anne“, sagte er und strich ihr über den Rücken, die Arme, die Haare. „Anne, Anne, Anne.“ Das war anscheinend das Einzige, was er sagen konnte, ihren Namen. Er küsste sie auf das Gesicht, den Scheitel. „Wo warst du ...“
    Er hielt inne, bemerkte plötzlich, dass ihre Hände gefesselt waren. Langsam, vorsichtig, damit er sie mit dem Ausmaß seines plötzlich aufwallenden Zorns nicht erschreckte, begann er die Knoten an ihren Handgelenken zu lösen.
    „Wer hat dir das angetan?“, fragte er.
    Sie schluckte nur und leckte sich unruhig die Lippen, während sie ihm die Hände hinstreckte.
    „Anne ...“
    „Es war jemand, den ich früher mal gekannt habe“, sagte sie endlich. „Er ... ich ... ich erzähle dir das später. Nicht jetzt. Ich kann nicht... ich muss ...“
    „Schon gut“, erwiderte er zärtlich. Er drückte ihr besänftigend die Hand und befasste sich dann wieder mit den Knoten. Die Fessel saß sehr fest, und vermutlich hatte Anne es durch ihre Versuche, sie abzustreifen, nur noch verschlimmert. „Ich bin gleich fertig“, sagte er.
    „Ich wusste nicht, wo ich sonst hätte hingehen sollen.“ Ihre Stimme klang brüchig.
    „Du hast genau das Richtige gemacht“, versicherte er ihr, zog ihr das Tuch von den Handgelenken und warf es weg. Sie zitterte unentwegt.
    „Ich kann nicht damit aufhören.“ Sie blickte auf ihre bebenden Hände, als wären sie ihr völlig fremd.
    „Es kommt alles in Ordnung“, sagte er und bedeckte ihre Hände mit den seinen. „Das ist nur die Aufregung. Mir ist das auch schon passiert.“
    Aus großen Augen sah sie ihn fragend an.
    „Als Ramsgates Männer mich in Europa verfolgten“, erklärte er. „Wenn ich ihnen wieder mal entwischen konnte und wusste, dass ich in Sicherheit war. Da hat irgendetwas in mir lockergelassen, und ich habe angefangen zu zittern.“
    „Dann hört das wieder auf?“
    Er lächelte sie aufmunternd an. „Versprochen.“
    Sie nickte. In diesem Augenblick wirkte sie so zerbrechlich, dass er sie am liebsten in die Arme geschlossen und vor der ganzen Welt beschützt hätte. Stattdessen gestattete er sich, ihr einen Arm um die Schultern zu legen und sie zum Haus zu geleiten. „Sehen wir zu, dass du ins Warme kommst“, meinte er. Er war so überwältigt - vor Erleichterung, Angst, Zorn -, doch jetzt zählte vor allem, dass sie sich erholte. Sie musste versorgt werden. Vermutlich brauchte sie etwas zu essen. Alles andere konnten sie später besprechen.
    „Können wir den Hintereingang'nehmen?“, fragte sie zögernd. „Ich bin nicht... ich kann nicht...“
    „Ab sofort wirst du immer den Vordereingang nehmen“, erklärte er leidenschaftlich.
    „Nein, das ist es nicht... bitte“, flehte sie. „Ich sehe furchtbar aus. Ich will nicht, dass mich irgendwer so sieht.“
    Er ergriff ihre Hand. „Ich sehe dich“, erwiderte er.
    Ihre Blicke begegneten sich, und er hätte schwören mögen, dass sich ihre Miene eine Spur aufhellte. „Ich weiß“, wisperte sie.
    Er führte ihre Hand an die Lippen. „Ich hatte solche Angst um dich“, sagte er und offenbarte ihr seine Seele. „Ich wusste nicht, wo ich dich suchen sollte.“
    „Es tut mir leid“, entgegnete sie. „Ich werde es nicht wieder tun.“
    Etwas an dieser Entschuldigung irritierte ihn. Er fand sie zu ergeben, zu hastig vorgetragen.
    „Ich habe eine Frage an dich“, sagte sie.
    „Bald“, versprach er. Er führte sie die Treppe empor, hob dann eine Hand. „Einen Augenblick.“ Er linste in die Eingangshalle, vergewisserte sich, dass dort alles ruhig war, und winkte Anne dann herein. „Hier entlang“, flüsterte er, und zusammen huschten sie die Treppe hinauf in sein

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