Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)
Möbelgeschäft seines Vaters. Sein Vermögen hatte er an der Börse verspielt, jetzt verdiente er ein paar Tausender im Monat, indem er in Åsane und Nordhordland Möbel ausfuhr. Tief in uns drin wünschen wir uns wohl, dass ein Mensch, der einmal alles hatte und plötzlich nichts mehr hat, eine Änderung durchgemacht hat. Dass er zumindest eine Erkenntnis vermittelt, etwas Kluges zu uns sagt, er hat Dinge erlebt, die wir nicht erlebt haben, darum wünschen wir uns, dem Kerl die eine oder andere Lebensweisheit zu entringen. In diesem Interview war es endlich so weit. Arvid Lunde wusste zu berichten, dass er sich an die Yuppie-Zeit fast nicht erinnern könne. Die Jahre seien wie ein blinder Fleck in seinem Leben, sagte er. Aber ich empfinde keine Trauer, es war nur Geld, und das nächste Kapitel in meinem Leben kann mindestens genauso spannend werden. Er sagte, er habe sich beinahe wie ein Teenager gefühlt, der seinem Vater beichten muss, dass er die Familienkutsche zu Schrott gefahren hat.
Der Vater wurde ebenfalls interviewt. Die meisten wünschen sich bestimmt, mit sich und der Familie in Frieden zu leben, sagte Harold M. Lunde zur BT . Arvid Lunde warnte vor eventuellen Nachahmern. Er sei zu sehr aufs Geld fixiert gewesen. Er habe sich selbst verloren, am Ende habe er nicht mehr gewusst, wer er war. Er habe ja gesagt, wenn er nein meinte, er sei nach rechts abgebogen, wenn er nach links wollte, er habe Entenkeulenconfit verzehrt, wenn er lieber Fleischklöße gegessen hätte. Jetzt war er wieder da, wo er herkam, in seinem Elternhaus, im Kinderzimmer, wo er sich ganz klar sehen konnte. Er ging mit dem Vater spazieren, er betrachtete den Himmel über Åsane, er fuhr mit dem Möbelwagen durch die Gegend, er bekam Kontakt zu normalen Leuten und zu jenem Arvid Lunde, der er einmal gewesen war. Er hatte Kleider seines Vaters geerbt, ein paar alte Anzüge, ein paar Piqué-Hemden, eine Tweedjacke, eine Hochwasserhose. Eines Tages hatte er sich im Möbelwagen im Seitenfenster gesehen, er hatte einen Schock bekommen, die Identifikation war total, er war zu seinem Vater geworden.
Arvid Lunde wurde für den offenen Umgang mit seiner Geschichte gelobt. Es war wichtig, dass Leute solche Geschichten erzählten, davon konnten andere etwas lernen. Das Interview war Teil einer Serie, in der die Zeitung Leute vorstellte, die am Schwarzen Montag alles verloren hatten, es ging um Menschen, die tief gefallen waren. Ich brauchte professionelle Hilfe von Rechtsanwälten, um mein Zuhause zu retten, sagte einer der Befragten. Ich habe festgestellt, dass es nicht so wichtig ist, wie es einem geht, sondern wie man damit umgeht, sagte ein anderer. Jetzt haben wir etwas gelernt, das hier wird nicht noch einmal passieren, sagte ein Dritter. Das Problem war, dass der Artikel in der BT die Geldeintreiber auf den Plan rief. Sie selbst lasen die Zeitung wohl kaum, aber jemand musste einen kennen, der einen kannte, der die BT las oder wenigstens an diesem Samstag durchgeblättert hatte. Die Typen hatten Arvid Lunde wohl fast schon aufgegeben, sie mussten zu der Erkenntnis gelangt sein, dass Lunde ein Mann im freien Fall war, einer, der von Sonntagen zu Montagen übergegangen war, von Plus zu Minus. Aber hier gab es eine Quelle, von der sie nichts geahnt hatten. Sie schritten zur Tat. Was sollten sie sonst tun? Geldeintreiber wollen ihr Geld haben, das ist ihr Job, sie haben Leute über sich, die ebenfalls ihr Geld haben wollen, so wie diese wiederum Leute über sich haben, die natürlich ihr Geld haben wollen. Alle wollen ihr Geld haben. Niemand will als Verlierer in der Armenkommission sitzen. Eines Nachmittags im April rief Marny Lunde im Laden an und bat die Beschäftigten, Arvid auszurichten, dass ein paar Kumpel aus Oslo zu Besuch gekommen seien. Sie saßen bereits in ihrer Küche. Guter Kaffee, sagte einer der Kumpel. Sehr guter Kaffee, sagte der andere.
Arvid und sein Vater kamen nach der Arbeit nach Hause und grüßten höflich. Wir würden uns gern einmal Ihren Laden anschauen, sagte einer von ihnen zu Harold M. Lunde. Sehr gern sogar, sagte der andere. Wie wäre es mit morgen? Als das Duo verschwunden war, fragte Harold seinen Sohn, wie viel er brauche. Ich habe eine Waffe, sagte Arvid Lunde. Du hast eine Waffe? Ja, eine Pistole, ich war gezwungen, mich zu verteidigen, ansonsten wäre ich in Schwierigkeiten geraten. Du hast keine Ahnung, was Schwierigkeiten sind, sagte der Vater. Sie kommen nicht noch mal, sagte Arvid, sie wissen,
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