Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)
sich, raubte Banken aus und tat noch Schlimmeres. Arvid Lunde habe höchstwahrscheinlich ein Serotonin-Problem, meinte Larsen. Und vice versa, sagte Vice Versa. Halt die Klappe!, sagte Larsen. Serotonin für alle!, brüllte die Valiumwalze. Ich schmeiße eine Runde!
Wir hatten diebische Freude daran, Ronald Reagans Raubserie zu verfolgen. Bei den ersten vier Überfällen hatte er insgesamt 700 000 Kronen erbeutet. Im Spätherbst schlug er in Blindern zu (110 000 Kronen), in der Rådhusgata (97 000 Kronen) und in der Altstadt (230 000 Kronen). In unsere Freude mischte sich auch ein Hauch von schlechtem Gewissen, es waren natürlich ungeheuerliche Verbrechen, bei einem Überfall hatte der Mann, weil er ungeduldig wurde, die Pistole gezückt, und am Schalter neben ihm hatte eine Mutter mit einem Baby im Kinderwagen gestanden. Wie sollte man so etwas rechtfertigen? Na ja, der Kerl hatte sicher Rechnungen zu begleichen, meinten die Leute im Schmelzer , er musste zur Bank gehen und seine Schulden abzahlen, wie wir alle. Er geht ja nicht zur Bank, um seine Schulden abzuzahlen, er überfällt die Bank!, protestierte Henry Larsen. Aber vielleicht hatte er ungewöhnlich viele Rechnungen zu begleichen? Vielleicht musste er seine Einkünfte mit ein paar Banküberfällen verquirlen? Und solange niemand zu Schaden kommt, jubeln wir einem Bankräuber gern zu. Verflucht, vielleicht haben wir zu viele schlechte Filme gesehen, zu viele schlechte Krimis gelesen? Vielleicht sind wir voller Vorurteile und Zwangsvorstellungen, aber das Geniale an der Sache war, dass der Täter nur Filialen der Oslobank überfiel. Als uns das klar wurde, änderten einige im Schmelzer ihre Meinung. Eine deutliche Mehrheit war sich jetzt ganz sicher, dass es sich um Arvid Lunde handeln musste . Er war auf einem Rachefeldzug. Sie hatten ihn gedemütigt, jetzt war payback time . Er hätte sich natürlich für eine weniger kriminelle Vorgehensweise entscheiden können, er hätte in den Filialen der Oslobank die Fenster einschlagen können, er hätte die Fenster sämtlicher Finanzinstitute, die von der herrschenden Klasse kontrolliert wurden, mit Steinen einwerfen können, aber das wäre pathetisch gewesen. Wenn er dabei erwischt worden wäre, hätten die Zeitungen nur geschrieben: Gescheiterter Aktienspekulant wirft Fensterscheiben ein. Auf seine Weise plünderte er tatsächlich die Reichen, er holte sich das Geld zurück, das einmal ihm gehört hatte. Das gefiel uns. Wir jubelten dem Typen zu. Wir unterstützten ihn voll und ganz. Er griff die Institutionen an, das hatte nichts Persönliches, er griff das System an. Er schlug zurück, indem er den Banken Geld entzog.
Im Herbst begannen wir uns um Arvid Lunde zu sorgen. Jetzt hatte er alles in allem neun Banken überfallen. Wollte er denn gar nicht aufhören? Sollte man nicht aufhören, wenn es am schönsten war? Harry meinte, ein Bankräuber würde so nicht denken. Ein Bankräuber überfällt zu gern Banken. Hat man erst einmal angefangen, Banken zu überfallen, hat man eine Schwelle überschritten und ist abhängig geworden. Natürlich lockt das Geld, aber genauso stark wiegen Spannung und Adrenalinkick, man will sie immer wieder erleben, diese Minuten, in denen etwas auf dem Spiel steht und alle um einen herum jede Bewegung verfolgen, die man macht.
Tja, ab jetzt wird das Ganze buchstäblich schmutziger. Am 1. November 1989 wird Arvid Lunde verhaftet und verdächtigt, insgesamt neun Filialen der Oslobank überfallen zu haben, eine Filiale wurde sogar zweimal überfallen, der erste und der letzte Raub der Serie. Der Täter hatte ganz offensichtlich sämtliche Filialen der Oslobank durch, und so begann er mit der zweiten Runde. Im Verhör weist Arvid Lunde alle Schuld von sich, er gibt zu, eine Pistole zu besitzen, ohne einen Waffenschein zu haben, die Pistole habe er sich in einer schwierigen Lebensphase zugelegt, aber er habe die Pistole nicht dazu verwendet, auch nur eine einzige Bank auszurauben. Zwar habe er sich ein ansehnliches Schuldenpaket zugelegt, das er versucht habe zu tilgen, es sei schwieriger als erwartet, so viel Geld zu beschaffen, er werde vermutlich als Schuldensklave ins Grab gehen. Im Verhör konfrontierte die Polizei Lunde mit Zeugenaussagen, denen zufolge er Teile eines großen Kredits auf dem grauen Geldmarkt zurückgezahlt habe. Woher kam das Geld? Lunde berichtete, dass er mittlerweile an einer Shell-Tankstelle in Sandvika arbeite. Sein ganzer Verdienst floss in die Rückzahlung
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