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Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)

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Titel: Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Grytten
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diskutierten heftig, ob Grace Mikkelsen Lunde, die den glücklichen Aufstieg miterlebt hatte, auch den bitteren Abstieg mitmachen würde. Arvid war ihre Rentenversicherung gewesen, jetzt war diese Versicherung nichts mehr wert. Sein Kapital war zerbröselt, ihr eigenes existierte noch. Sie war ein großzügig ausgestattetes Geschöpf, das Männern noch viele Jahre lang gefallen könnte. Arvid Lunde versuchte an diesem Abend, Grace zu küssen. Ihr erster Kuss hatte zwei Tage gedauert, dieser dauerte nicht einmal eine Sekunde. Grace befreite sich aus seinen Armen, setzte sich auf einen Küchenstuhl und zündete sich eine Zigarette an. Arvid setzte sich ihr gegenüber an den Tisch. Ich weiß, dass die letzten Monate hart waren, sagte er, die Belastung war für uns beide groß, der Absturz der Börse, Robby und all die Operationen. Grace schlug vor, dass er auszog und sie sich eine Auszeit nahmen. Robby und sie könnten weiter in der Inkognitogate wohnen. Dann würden sie die Dinge Schritt für Schritt angehen, aus allem das Beste machen. In ein paar Monaten könnten sie sich noch einmal unterhalten. Am selben Abend saß Arvid auf dem Sofa, lauschte ihren Schritten im Bad, hörte, wie sie sich bettfertig machte, die Zähne putzte, die Abendtoilette hinter sich brachte, sah, wie es in der Inkognitogate still wurde. Er drückte eine Lucky Strike aus und leerte seinen Drink, der ihm einen strengen Geschmack im Mund bescherte. Er hatte eine letzte Chance erhalten, und diese Chance wollte er nutzen.
    Wie war das Wetter in diesem Winter? Hat es geregnet? Hat es geschneit? Arvid Lunde wusste es nicht, er registrierte lediglich, dass der Herbst das Licht gegen etwas Graues eintauschte, sah lediglich, dass der Winter das Grau mit etwas Weißem ersetzte. Ich bin ein unverbesserlicher Optimist, sagte er den wenigen, die anriefen. Fräulein Mowinckel rief an und war beunruhigt. Verluste und Gewinne sollte man mit derselben Einstellung hinnehmen, sagte Arvid Lunde. Er suchte sich ein Zimmer von 34 Quadratmetern oben im Sinsenvei. Der Kapitalismus kümmert sich um deine Brieftasche, aber nicht um deine Seele. Gehst du unter, kommt keiner. Säufst du ab, bleibst du wie eine Münze auf dem Meeresboden liegen. Die Leute idealisieren den Untergang, sie haben Filme gesehen und Bücher gelesen, sie denken, dem Untergang hafte etwas Heroisches an, man befinde sich außerhalb der Welt, sei freigestellt, mit dem eigenen Elend allein. Aber Arvid Lundes Leben hatte in diesem Winter nichts Romantisches an sich. Er aß Thunfisch aus Konservendosen, trank Pulverkaffee, den er mit warmem Leitungswasser anrührte. Er studierte die Zeitung auf der Suche nach den billigsten Lebensmitteln. Dann joggte er zu dem Laden mit den besten Angeboten. Er kehrte mit Einkaufstüten voller Reis und Würstchen zurück. Nur fremde Männer klopften an seine Tür und riefen, dass sie ihn sich vorknöpfen wollten. Es kam vor, dass er sich versteckte, ohne dass jemand angeklopft hatte, prophylaktisch, er schützte sich, bevor die Bedrohung da war. Ein weiteres Mal suchte er die Oslobank auf, um mit dem Bankdirektor zu sprechen, diesmal kam er nicht weiter als bis zum Empfang. Dort wurde er von einem überdimensionierten Wachmann gestoppt, der ihn höflich, aber bestimmt hinauswarf. Ich will nur fünf Minuten, sagte Arvid Lunde. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag, sagte der Wachmann.
    Arvid rief Grace an wie ein schmachtender Teenager: Wann kann ich dich sehen, Grace? Wann können wir uns treffen? Wann kann ich Robby sehen? Sie stellte klar, dass sie wirklich eine Auszeit nehmen sollten, dann wäre es später einfacher, das unvermeidliche Gespräch zu führen. Er behielt es im Gedächtnis und übte stundenlang an einer kühlen, reifen Stimme voller Lebenserfahrung, die er beim nächsten Telefonat einsetzen wollte. Doch sobald er die Nummer wählte, hatte er den kühlen Stil und die Sätze vergessen, die er sich eingeprägt hatte, um Grace zurückzugewinnen. Seine Stimme zitterte, als er sagte, er liebe sie, sie sei eine unglaubliche Frau, sie sei eine Frau, die alle Männer haben wollten, er liebe sie wirklich, was empfindest du für mich, Grace ? Ich empfinde nichts, Arvid. Das ist genau der Punkt, ich empfinde nichts, sagte sie. Ein Herz hatte sich geschlossen, ein Herz stand immer noch offen. Haben wir einen Liebessommer, und dann ist alles vorbei?, fragte Arvid Lunde, als er Fräulein Mowinckel anrief. Ich weiß es nicht, musste Fräulein Mowinckel zugeben. Mit

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