Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)
wir mit dem Taxi nach Bekkestua fahren, zu ihm nach Hause. Ich bestehe darauf, selbst zu fahren. Er verweist auf die offensichtliche Tatsache, dass ich fast eine ganze Flasche Wein getrunken habe. Was für ein Klugscheißer. Wovor hat er Angst? Im Graben zu landen? Im Gefängnis zwitschern zu müssen? Er gibt rasch nach, und mit der milden Glut der Promille fahre ich durch die Straßen Oslos. Ich fahre viel besser mit etwas Wein im Blut, steuere meinen dunklen Saab bei jedem Spurwechsel entschieden und geschickt, vorbei an einsamen Ampelkreuzungen, durch ein Oslo, das auf der anderen Seite der Windschutzscheibe wackelt und wankt. Jan sagt auf der Fahrt kein Wort, er gibt nur kurze Anweisungen, wohin ich fahren soll. Ich deute sein Schweigen dahingehend, dass er mein Verhalten insgeheim gut findet. Jan gefällt es, dass ich verrückt geworden bin. Er findet es witzig, dass ich mit Promille fahre, und er mag mein Gefasel, mich an Ingvar Kamprad rächen zu wollen. Er hat sein ganzes Erwachsenenleben lang versucht, mir nachzuweisen, dass ich falsch liege. Jetzt sind wir auf dem Weg zu ihm nach Hause, zu allem, was er ohne meine Hilfe geschafft hat. Das hat etwas Rührendes, ich sollte stolz auf ihn sein, ich sollte zumindest sagen , dass er mich mit Stolz erfüllt, aber in diesem Stadium meines Lebens bin ich über Floskeln erhaben. Ich glaube nicht, dass ich immer so war, aber all die unerfreulichen Ereignisse haben mich zu einem verächtlichen Mann gemacht. Ich will mein Räsonnement nicht weiter ausführen, denn wer bin ich, dass ich so denke? Tag für Tag, Jahr für Jahr war ich höflich, vernünftig und geduldig. Ich habe mich für alle anderen geopfert, ich habe eine lange Latte der Verantwortung hinter mir hergezogen. Und bin für meinen mangelnden Egoismus gnadenlos bestraft worden. Vielleicht hat er ja recht? Alles, was ich heute noch kann, ist, mit leichter Schadenfreude meinen Schmerz unter die Lupe zu nehmen. Nun, so bin ich. So ist der Mensch.
In einer Kurve bei Sjølyst winkt ein Mann mit einem leuchtenden Stab. Es sieht merkwürdig aus, als stünde Jesus zähneklappernd in der Februarkälte und klammerte sich an seinen Stab, um sich die Finger zu wärmen. Ich höre Jan fluchen. Es ist ein Polizist. Es muss ein Polizist sein. Ja, es ist eindeutig ein Polizist. Der Polizist will, dass wir rechts ranfahren. Er signalisiert mit seinem Stab, dass ich bremsen und rechts ranfahren soll. Das Erste, was mir durch den Kopf schießt, ist, jetzt komme ich nicht nach Schweden. Hier endet meine Geschichte. Will ich bis nach Schweden kommen, muss ich das Gaspedal durchdrücken und weiterfahren. Wie dumm von mir, so kopflos zu sein, jetzt endet meine Fahrt auf einer verschneiten Straße außerhalb von Oslo. Ich werfe einen Blick auf Jan. Im Halbdunkel kann ich meinen Sohn nicht deutlich erkennen, aber es sieht aus, als lächle er. Mein Fall wird öffentlich werden. Meine Tragödie wird Eingang in das norwegische Rechtssystem finden. Er kann aufatmen. Das muss angenehm sein. Auch wenn er zwangsläufig mit hineinverwickelt wird, ist es die Sache wert. Wie sehr er mich doch hasst. Ich bremse und blinke nach rechts, bin bereit, mein Schicksal anzunehmen. Ehrlich gesagt, ist die Strafe noch das Geringste. Die Strafe kann ich auf mich nehmen, aber es belastet mich, dass Schlussfolgerungen gezogen werden, die ich nicht gutheißen kann.
In dem Moment geschieht das Wunder. Aus heiterem Himmel verliert der Polizist seinen Stab. Ich kann nicht erklären, wie es passiert, der Mann hat garantiert den ganzen Abend mit seinem Stab gewinkt, und jetzt verliert er ihn. Der Stab trifft auf den Asphalt und rollt über die Fahrbahn. Der Stab sucht sich seinen Weg zur Mittellinie und rollt auf die Gegenfahrbahn. Durch das Seitenfenster kann ich sehen, wie der Polizist losrennt. Während er rennt, hebt er den Arm, um Autos anzuhalten, die auf ihn zufahren, die ihn möglicherweise ummähen und seiner leuchtenden Karriere beim norwegischen Staat ein Ende setzen würden. Er kann den Stab mit dem Fuß stoppen, aber dann macht er einen Fehler, und der Stab rollt weiter. Der Polizist wirft sich wie ein Torwart auf den Boden. Er steht auf mit dem Leuchtstab in der Hand, zeigt auf meinen Saab und ruft: FAHREN SIE! Ich verstehe nicht ganz, was passiert, und bleibe stehen. Er zeigt auf mich. FAHREN SIE!, höre ich ihn draußen brüllen. Fahr los!, flüstert Jan vom Beifahrersitz. Fahr los! Der Polizist muss eingesehen haben, dass er eine
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