Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)
Die Lage wurde nicht besser davon, dass wir die Nachwehen der Achtziger noch obendrauf bekamen. Plötzlich mussten wir uns mit absolut allen Blumen im Beet zufriedengeben, auch mit den kranken, denen es an Saft und Kraft fehlte.
Bygdøy Allé, wie bin ich hierhergekommen? Ich weiß es nicht, es spielt auch keine Rolle. Ich gehe hinein. Im Restaurant herrscht gedämpftes Leben. Ein Ober mit blonden Haaren besteht darauf, dass ich meinen Mantel ausziehe, ich bestehe darauf, dass ich friere. Ich warte auf jemanden, sage ich. Aha, sagt er. Ja, ich würde gern im Mantel warten, bis mein Begleiter kommt. Der Ober verschwindet hinter der Schwingtür, ein richtiger Dukatenkacker. Er ist auf der falschen Spur, kein Zweifel, es macht mir nichts aus, manche Lämmer kommen weiß zur Welt, andere sind schwarz, traurig wäre nur, wenn es von jeder Art nur ein Exemplar gäbe. Aber ich ertrage seinen Blick nicht. Insgeheim meint er, mein Mantel und ich seien für sein Etablissement nicht gut genug. Er bringt mir die Speisekarte. Er erklärt mir die Bestandteile des siebengängigen Menüs. Ich sage, vermutlich nehmen wir eher das fünfgängige. Er lässt sich nicht davon abbringen, dass wir das siebengängige nehmen sollen, der Küchenchef hat das Menü entsprechend komponiert. Sieben Gänge. Nicht fünf. Nicht zwölf. Sieben. Ich möchte nur fünf Gänge haben, sage ich. Aha, sagt der Ober, aber auch wenn sie drei oder fünf bestellen, bleibt es ein siebengängiges Menü. Ich lächle und sage, ich warte mit dem Bestellen, bis mein Sohn kommt. Ich betone das Wort Sohn, ich warte, bis mein Sohn kommt . Ich habe einen Sohn, ich habe mich fortgepflanzt, das hat er wohl kaum. Ich sehe den Hass in seinen Augen. Er hasst meinen Mantel, meine Hose, meine Jacke, den Hut, den ich auf den Tisch gelegt habe. Er hasst meine Haut, die zu faltig ist, das zerfurchte Gesicht, die Tränensäcke, die sich hinter den Brillengläsern schwer über die Augen legen. Meine Anwesenheit allein ruiniert alles, was er sein will, was er aufzubauen versucht hat. Etwas zu trinken, während Sie warten?, fragt er und erdreistet sich zu lächeln. Er hat weiterhin eine professionelle Schicht Freundlichkeit um seinen Hass drapiert. Ja, sage ich. Soll ich den Koffer an mich nehmen?, fragt der Ober. Das ist nicht nötig, sage ich und stelle den Koffer gegenüber auf den Stuhl. So bleiben wir sitzen, der Koffer und ich. Es ist der Aktenkoffer, mit dem ich Möbelmessen besucht habe. Es ist ein schöner Koffer, ein Jahrgangskoffer (Lloyd Attree & Smith, 1971), einer, der fast alles gesehen hat, der rumgekommen ist bei Fabrikanten, Agenten und Verkäufern. Mittlerweile sind die Schlösser verkratzt, und das braune Leder hat Leberflecken bekommen. Es sieht aus wie ein alter Mond, der zu viele Nächte hintereinander über die Berge gewandert und über den Fjord gerudert ist.
Hier kommt Jan. Er wird vom Ober empfangen. Jan zeigt auf mich. Ich sehe, wie die Geste den Ober freut. Er hat es gewusst. Das hier ist also mein Sohn, ein wenig beeindruckender Mann, Flachland, das fast nichts zu bieten hat. Marny hat immer gesagt, die beiden Jungen müssten zu hohe Erwartungen erfüllen. Wo immer sie aufkreuzten, stellte man ihnen die Frage: Bist du der Sohn von Möbel-Lunde? Wenn sie bei Kameraden oder in der Schule waren, mussten sie sich behaupten. Als sie die ersten Freundinnen hatten und auf drittklassigen Sofas saßen, wurden sie oftmals direkt mit der Frage konfrontiert, ob sie nicht meine Söhne waren? Ich weiß, es ist nicht sehr schlau, ein Familienunternehmen weiterzuführen. Machst du deine Sache gut, fällt die Ehre der Geschichte und der Vergangenheit zu. Fährst du den Karren an die Wand, trifft dich allein die Schuld. Marny meinte, die beiden wollten Jan und Arvid sein, mehr nicht. Ich sagte zu Marny: Es sind zwei ordentliche Teetassen. Ich weiß nicht, was Marny und ich in unserer Erziehung falsch gemacht haben, dass wir zwei Teetassen als Söhne bekommen haben. Nenn sie nicht so, sagte Marny. Warum nicht?, fragte ich. Ich war bester Laune, wenn ich so über meine Söhne sprach, ich weiß genau, dass es eine schlechte Angewohnheit ist, und das ist sicher einer der Gründe dafür, warum die beiden so wurden, wie sie sind, aber ich konnte es nicht lassen. Der Ober strahlt mich an: Hier ist Ihr Sohn, sagt er. Auch der Ober betont das Wort Sohn . Dieser ausgekochte Kerl. Ich stehe auf und gebe Jan die Hand. Er entschuldigt sich für die kleine Verspätung. Macht nichts,
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