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Ein eisiger Tod - Ein Inspector-Rebus-Roman

Titel: Ein eisiger Tod - Ein Inspector-Rebus-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin Giovanni Bandini Ditte Bandini
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hätte, um einen richtig netten folkloristischen Abend zu bestreiten, aber das war kein Fete, sondern eine Totenwache.
    Als Rebus bei Tresa McAnally eintraf, war die Wohnung
bereits voll gestopft mit Männern und Frauen mittleren Alters und deren übellaunigen Sprösslingen sowie ein paar älteren Leuten, die die Ehre hatten, sitzen zu dürfen. Und mitten im Wohnzimmer thronte, von Kopf bis Fuß in Schwarz, aber mit knallrot lackierten Nägeln, die Witwe. Die Vorhänge waren zugezogen, wie übrigens auch die der benachbarten Wohnungen - ein Zeichen von Solidarität. Wenn jemand verabschiedet werden sollte, hielten die Schotten immer zusammen.
    Rebus schlängelte sich durch die flüsternde Menschenmenge und streckte die Hand aus. »Mrs. McAnally«, sagte er.
    Sie nahm seine Hand und drückte sie kaum spürbar. »Nett, dass Sie gekommen sind.«
    Dann war er auch schon wieder weg, ehe sie sich zu jemandem wenden und sagen konnte: »Das ist der Polizist, der zur Schule gekommen ist, er hat Wee Shug gesehen, wie er mit halb abbem Kopf auf dem Boden lag.« Normalerweise zogen sich die Männer bei solchen Anlässen in die Küche zurück und hielten sich am Whisky fest. Aber hier gab es nur die - lediglich durch eine Frühstückstheke vom Wohnzimmer getrennte - Kochnische. Also hatten sich die Männer dort versammelt. Das Ganze sah einem Bus während der Rushhour zum Verwechseln ähnlich. Sie ließen saubere Gläser und dann den Whisky herumgehen. Für die Damen wurden Gläser, gefüllt mit süßem und trockenem Sherry, herausgereicht. Für die jugendlichen Leidtragenden gab es Softdrinks.
    Rebus schenkte sich ein Glas voll und trank der kleinen Gestalt zu, die neben ihm stand. Der Mann war in den Siebzigern und trug einen rußfarbenen Nadelstreifenanzug aus den Vierzigern. Er hatte ein verrunzeltes Gesicht und bewegte ständig seine Lippen, schürzte und verzog sie. Er sprach mit gedämpfter Stimme.

    »Dann auf Ihr Wohl, mein Junge.«
    » Sláinte. « Sie tranken und konzentrierten sich ein paar Augenblicke ausschließlich auf den Geschmack des billigen Whiskys. Das war immer noch besser, als reden zu müssen, einer der Gründe dafür, dass auf Totenwachen so viel Whisky konsumiert wurde.
    »Der Leichenwagen kommt in zehn Minuten«, teilte der Mann Rebus mit.
    »A ja.« Ein geschlossener Sarg natürlich; Tresa McAnally würde ein letzter Blick auf die kläglichen Überreste ihres Mannes nicht vergönnt sein.
    »Da kommt der Pastor.«
    Sehen konnte der alte Bursche noch einwandfrei, trotz seiner dicken verschmierten Brillengläser. Rebus beobachtete, wie der Geistliche auf Tresa McAnally zuging. Er trug Schwarz, dazu den weißen steifen Kragen. Die Menge der Trauergäste teilte sich vor ihm und bildete eine Gasse. Pastoren fanden nicht leicht Freunde; in der Hinsicht ähnelten sie Bullen. Die Leute hatten immer Angst, in ihrer Anwesenheit etwas Falsches zu sagen. Eines musste man den geistlichen Herren aber lassen: Sie beherrschten die Kunst, ein Gespräch zu führen und dabei von niemandem außer dem Angesprochenen gehört zu werden.
    Der alte Mann war schon dabei, eine weitere Flasche Whisky aufzuschrauben, diesmal eine andere Marke. »Die Wohnung ist hübsch geworden, nicht? Ich war seit ein paar Jahren nicht mehr da.«
    Rebus nickte und stellte fest, dass der riesige Fernseher hinausgetragen worden war, um mehr Platz zu schaffen. Er vermutete, dass er sich im Schlafzimmer befand. Er ließ noch einmal den Blick über die männlichen Trauergäste wandern und hielt nach alten Knackis Ausschau, nach bekannten Gesichtern, nach jemandem, der Wee Shug eine Schrotflinte besorgt haben konnte.

    »O ja«, fuhr der Alte fort, »die ist jetzt richtig schön. Neue Teppiche und neue Tapeten, richtig nett.«
    Und neuer Fernseher, dachte Rebus. Neue Wohnungstür und eine Schlafzimmereinrichtung, die auch nicht direkt wie vom Sperrmüll aussieht. Geld:Wo zum Teufel war das Geld hergekommen?
    »Auch im Flur ein neuer Teppich«, fuhr der Mann fort. Er senkte die Stimme noch weiter. »Sie hat’s wohl für Wee Shug gemacht. Sie wissen schon, damit er sich gleich ein bisschen heimischer fühlte. Ich meine, nach’ner Gefängniszelle wünscht man sich was Nettes.«
    Rebus sah sich den Mann genauer an. »Selbst schon mal gesessen?«
    »Ist lange her, mein Sohn. In den Fünfzigern. Saughton war damals anders, alles war anders. Und wohlgemerkt, ich sag damit nicht, dass es schlechter war.« Sobald ihre Gläser nachgefüllt waren, schraubte er

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