Ein eisiger Tod - Ein Inspector-Rebus-Roman
sagte Rebus. »Schreibmaschinen sind so ziemlich das Modernste, was ich an Technik bewältigen kann.«
»Ich werd andauernd auf irgendwelche Kurse geschickt, aber spätestens nach einer halben Stunde blicke ich überhaupt nicht mehr durch.«
Die Tür, durch die Rebus eingetreten war, öffnete sich, und der Direktor kam herein. Rebus stand auf, sie gaben sich die Hand, und der Direktor führte ihn in sein Allerheiligstes.
»Setzen Sie sich, Inspector.«
»Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie Zeit für mich erübrigen konnten.«
Der Direktor tat dies mit einer wegwerfenden Handbewegung ab. »Es kommt nicht oft vor, dass ich mich mit einem Selbstmord außerhalb der Gefängnismauern beschäftigen muss, aber mir sind deswegen schon Reporter auf den Pelz gerückt. McAnallys Tod scheint eine ziemliche Debatte ausgelöst zu haben. Die Medien müssen, was Nachrichten angeht, momentan aus dem letzten Loch pfeifen.« Er lehnte sich zurück und verschränkte die Hände über dem Bauch. »Und jetzt«, sagte er, »kommen auch noch Sie.«
Der Direktor war ein gut aussehender Mann Ende fünfzig. Er fixierte Rebus über das Metallgestell seiner Brille hinweg. Er war massig, ohne dick zu sein, und sein grau
werdendes Haar war dicht und füllig. Sein Anzug sah teuer aus, sein Hemd frisch gebügelt, und sein dezenter blauer Schlips hatte einen Glanz, der Rebus auf Seide hinzudeuten schien. Er betrachtete sich als einen »Menschen-Manager« und war ein beredter und aktiver Verfechter einer Reform des schottischen Strafvollzugs: Schluss mit den altmodischen Toiletteneimern und Mehrfachbelegungen der Zellen; hellere, besser ausgestattete Aufenthaltsräume; verstärktes Angebot von berufsbildenden Kursen, Möglichkeiten zur schulischen Weiterbildung und Beratung. Nicht jeder sehbehinderte Student der Open University wusste, dass die Lehrbücher, mit denen er arbeitete, wahrscheinlich in Saughtons Braille-Abteilung transkribiert worden waren.
Es war allerdings nicht alles eitel Sonnenschein: Saughton hatte durchaus seine Drogenprobleme und sein Quantum an HIV-positiven Häftlingen. Aber wenigstens verfügte es auch über das nötige fest angestellte medizinische Personal, um damit fertig zu werden - oder zu versuchen , damit fertig zu werden.
Rebus kannte den Direktor nicht persönlich, hatte ihn allerdings schon bei verschiedenen offiziellen Anlässen und in den Medien gesehen. Er hieß Jim Flett, wurde aber häufiger »Big Jim« genannt.
»Tja, Sie haben Recht, Sir«, sagte Rebus, »ich bin hier, um mit Ihnen über Hugh McAnally zu reden.«
»Das hab ich mir schon gedacht.« Flett klopfte mit dem Finger auf einen braunen Aktendeckel, die Akte des Häftlings 1117, Block C, Ihrer Majestät Justizvollzugsanstalt Edinburgh, McAnally, Hugh. Jim Flett öffnete den Heftordner. »Ich hab das hier durchgelesen und mich mit einigen Schließern und McAnallys Mithäftlingen unterhalten.« Er grinste Rebus an. »Ich glaube , ich bin gut vorbereitet. Apropos, was zu trinken?«
»Danke, Sir, nicht nötig. Ich werde Sie nicht lange aufhalten. Warum wurde McAnally so früh entlassen?«
»Nicht so früh. Seine gute Führung wurde in Rechnung gestellt, ebenso sein Gesundheitszustand.«
»Sie wussten also, dass er krank war?«
»Inoperabler Krebs. Normalerweise würden wir ihn, da er den größten Teil seiner Strafe verbüßt hatte, auf die Einweisung in das TFF-Wohnheim vorbereiten.«
»Was ist das?«
»›Training für die Freiheit‹. Er hätte als Freigänger eine Arbeit annehmen können. Aber Mr. McAnally war ein Häftling der Kategorie C, und nur Kategorie D ist zum TFF-Programm zugelassen. Jedenfalls stand ihm eine Entlassung auf Bewährung zu.«
»Was machte ihn zu einer ›Kategorie C‹?«
Flett zuckte die Schultern. »Eine Auseinandersetzung mit einem Wärter.«
»Ich dachte, Sie hätten was von guter Führung gesagt?«
»Die Sache lag schon eine Weile zurück. Der Mann lag praktisch im Sterben, Inspector. Wir wussten, dass wir ihn hier nie wiedersehen würden.«
»Wirkte er suizidgefährdet?«
»Nicht, soweit mir bekannt ist. Ich bin bloß froh, dass er sich draußen umgebracht hat; dadurch ist er nicht mein, sondern Ihr Problem.«
»Wie steht’s mit Schikanen? Wurde er bedroht oder misshandelt?«
»Wie meinen Sie das?«
»Er saß wegen Vergewaltigung ein, sein Opfer war zum Zeitpunkt der Straftat noch minderjährig. Ich kenne die Geschichten: Wenn man als Sexualstraftäter nicht in Einzelhaft kommt, wird man verprügelt, die
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