Ein eisiger Tod - Ein Inspector-Rebus-Roman
es formulierte:
»Sie kennen diese Scheißkerle, John. Wenn die bei uns Dreck finden wollen, dann finden sie auch welchen.Wir arbeiten nicht gerade in einer keimfreien Umgebung.«
»Das liegt daran, dass wir es mit Leuten zu tun haben, die sich nicht jeden Morgen hinter den Ohren waschen. Worauf wollen Sie hinaus, Sir? Wenn’s uns erwischt, dann erwischt’s uns eben. Es ist doch jedes Jahr ein Glücksspiel.«
»Ah«, sagte Watson und streckte einen gigantischen Zeigefinger in die Höhe. »Ich habe nur gesagt, dass das HMIC sich mit dem Gedanken trägt, uns zur Inspektion auszuwählen.«
»Das verstehe ich nicht.«
Der Farmer änderte - soweit möglich - seine Sitzhaltung. Er war nicht gerade schmächtig und sein Schreibtischsessel nicht breit genug. »Ich ehrlich gesagt auch nicht. Der D.C.C. begnügte sich mit dämlichen Andeutungen. Aber ich glaube, im Klartext heißt das, wir sind gerade unartig, und wenn wir damit aufhören, könnte es passieren, dass eine andere Abteilung das HMIC auf den Hals kriegt.«
»Hat er das wirklich so gesagt?«, fragte Gill Templer.
Der Farmer zuckte die Schultern. »Das ist lediglich meine Interpretation. Na, und nach dem Telefonat habe ich ein bisschen nachgedacht und mich gefragt: Wer könnte das wohl sein, der Leuten auf den Schlips tritt? Nun, ich kenne einen Bullen, der das sogar mit Vorliebe tut.«
»Mit Verlaub, Sir, aber meine Vorlieben sind weit langweiligerer Natur.« Watson verzog keine Miene. »Okay«, sagte Rebus und stand wieder auf. »Ich hab gestern Big Jim Flett einen Besuch abgestattet, wahrscheinlich ein paar Stunden bevor Gunner Sie angerufen hat.«
»Warum?«, fragte Gill Templer. Sie war sichtlich wütend, dass er sie nicht vorher informiert hatte.
»McAnally.«
»Der Selbstmörder?« Als Rebus nickte, runzelte der Farmer die Stirn.
»Es ist nämlich so, Sir, da ist was... ich weiß nicht, ich hab nur das Gefühl, dass etwas faul an der Sache ist. Warum sollte sich jemand die Mühe machen, extra zur Warrender School zu tippeln, um sich den Schädel vor den Augen eines Councillors wegzupusten, der den Toten nach eigener Aussage noch nicht einmal kannte? Und woher hat die Witwe auf einmal so viel Geld zum Ausgeben? Das sind nur zwei Fragen; ich hab noch einen ganzen Haufen davon.«
»Nun«, meinte der Farmer, »das könnte den zweiten Anruf
erklären. Ebenfalls gestern Abend, ebenfalls bei mir zu Haus. Diesmal von Derek Mantoni.«
»Kenn ich nicht.«
» Councillor Mantoni ist Vorsitzender des Lothian and Borders Joint Police Board.«
Jetzt verstand Rebus: Gillespie hatte sich bei seinem einflussreichen Freund beschwert.
»Er hat sich nach Ihnen erkundigt, John.«
»Nett von ihm.«
»Offenbar haben Sie bei Councillor Gillespie angeeckt. Ich darf Sie daran erinnern, dass der Councillor in diesem Fall ein Opfer ist, und noch dazu eines, das Schreckliches durchgemacht hat.« Der Farmer klang so, als zitiere er Derek Mantoni.
»Inspector Rebus«, warf Gill Templer ein, »besteht irgendein Grund zu glauben, es sei kein Selbstmord gewesen?«
»Nein«, räumte Rebus ein. »Ich bin sicher, dass es ein Selbstmord war.«
»Dann sehe ich das Problem nicht.«
Rebus drehte sich zu ihr um. »Also, ich schon! « Dabei stieß er sich den Daumen nachdrücklich gegen die Brust. »Und jetzt wollen alle plötzlich, dass die Sache unter den Teppich gekehrt wird!« Sie wandte sich von ihm ab.
»John«, sagte der Farmer warnend, » Sie hören jetzt zu. Ich weiß, wie viele Überstunden sich bei Ihnen angesammelt haben. Ihnen steht ein kleiner Urlaub zu... eigentlich gar kein so kleiner. Zu dieser Zeit des Jahres ist ohnehin kaum was los.«
Rebus hielt dem Blick des Farmers stand. »Sie sollten mir in dieser Sache den Rücken stärken, Sir.«
»Ich fordere Sie lediglich auf, sich ein paar Tage freizunehmen.«
»Vor wem haben Sie eigentlich Angst: dem D.C.C.? Mantoni? Dem HMIC?«
Der Farmer ging nicht darauf ein. »Nehmen Sie sich eine Woche frei, zehn Tage... kommen Sie auf andere Gedanken, Inspector.«
Rebus schlug mit beiden Händen auf den Schreibtisch. Ein gerahmtes Foto der Familie des Farmers fiel herunter und landete auf einem Karton. Gill Templer bückte sich und hob es auf.
»Sie müssten mir den Rücken stärken«, wiederholte Rebus. Er wusste, dass er sich bei Gill keine Hoffnungen zu machen brauchte; er hatte nur Augen für den Farmer, aber der Farmer sah nicht her.
»Das war eine dienstliche Anweisung, Inspector.«
Auf dem Weg nach draußen
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