Ein eisiger Tod - Ein Inspector-Rebus-Roman
gestrickten Zweiteiler und eine Perlenkette. Eine Brille hing ihr an einer Schnur um den Hals. Sie war zierlich, gepflegt, wahrscheinlich in Rebus’ Alter.
»Na, dann nochmals danke«, verabschiedete sie sich von der Kundin. Dann zu Rebus gewandt: »Kann ich Ihnen helfen?«
»Mrs. Burnett?«
»Ja.« Sie klang etwas verunsichert.
»Inspector Rebus.« Wieder zeigte er seinen Dienstausweis vor.
»Ist eingebrochen worden? Diese Speicher könnten Panzertüren haben, die würden trotzdem irgendwie reinkommen.«
»Nein, es ist nicht eingebrochen worden.«
»Ah.« Sie sah ihn an. »Hören Sie, ich wollte gerade Wasser aufsetzen, hätten Sie Lust auf eine Tasse?«
Rebus nahm ihr Angebot mit Freuden an.
Von der Raumaufteilung her unterschied sich Combined Knitwear nicht von Joe Simpsons Firma: ein enger Flur, von dem vier Zimmer abgingen. Eines davon diente als Büro. Rebus warf einen Blick in die anderen Räume. Wolle. Jede Menge Wolle. An den Wänden standen tiefe Regale, in denen die Ware ausgestellt war. Es gab Kartons voller Strickmuster, eine Plexiglasvitrine mit verschiedenerlei Stricknadeln. Wände und Türen waren mit großformatigen Fotos von Leuten mit unterschiedlich gearbeiteten Pullovern und Strickjacken geschmückt. Gelassen lächelnde Männer. Frauen, die wie Modelle von vor fünfzehn, zwanzig Jahren aussahen. An einer Wand hingen an
etlichen Holzpflöcken Docken von dicker weißer Wolle. Rebus mochte es, wie es dort roch. Es erinnerte ihn an seine Mutter, seine Tanten und deren Freundinnen. Seine Mutter hatte ihn immer ausgeschimpft, wenn er ihre Stricknadeln als Trommelstöcke missbrauchte.
Er drehte sich um und sah, dass Mrs. Burnett in der Tür stand.
»Eine Minute lang haben Sie vollkommen friedlich ausgesehen«, sagte sie.
»So habe ich mich auch gefühlt.«
»Der Tee ist fertig.«
»Wissen Sie zufällig, was Mr. Simpson nebenan eigentlich macht?«
Sie lachte leise. »Das frage ich mich schon seit Jahren.«
»Seit Jahren?«
»Hat er Ihnen erzählt, ich sei neu hier? Er erinnert sich nicht, aber ich hab hier schon gearbeitet, als es noch Capital Yarns hieß. Ich war danach nur angestellt, aber als ich beschloss, mich selbstständig zu machen, und erfuhr, dass diese Räume gerade frei waren - na ja, da habe ich zugegriffen.« Sie seufzte. »Sentimentalität, Inspector. Nostalgie - lassen Sie sich nie von so was leiten. Nicht viele Kunden sind bereit, den langen Marsch von der Princes Street hierher auf sich zu nehmen. An einem etwas zentraleren Ort würden die Geschäfte besser laufen.«
Rebus erinnerte sich an die Geschichte, wie es dazu gekommen war, dass IBM sich in Greenock angesiedelt hatte: ebenfalls Sentimentalität, allerdings die eines Giganten.
Er folgte Mrs. Burnett ins Büro. »Dann haben Sie vor acht Jahren also schon hier gearbeitet? So 86, 87?«
Sie goss Wasser in zwei Becher. »O ja.«
»Gab es hier damals einen Laden namens Mensung?«
» Mensonge? «
Er buchstabierte es.
»Nein«, sagte sie, »damals gab es nur Mr. Simpson und Capital Yarns. Sind Sie sicher, dass die Adresse stimmt?« Rebus nickte und sah ihr zu, wie sie die Teebeutel in die Becher hängte. »Milch und Zucker?«
»Nur Milch, bitte.« Sie reichte ihm den Becher. »Danke. Warum haben Sie den Namen eigentlich eben so ausgesprochen?«
» Mensonge? «
»Ja. Es klingt französisch.«
»Es ist französisch. Es bedeutet ›Lüge‹.«
»Liege?«
» Lüge , Unwahrheit, Schwindelei. Ist mit dem Tee etwas nicht in Ordnung, Inspector?«
»Nein, überhaupt nicht, Mrs. Burnett. Der Tee ist ausgezeichnet, ganz ausgezeichnet.«
Nur um ganz sicherzugehen, fragte Rebus auch im Zeitungsladen nach. Der Mann, der das Geschäft schon seit achtzehn Jahren führte, schüttelte den Kopf. Dann sprach Rebus mit der zuständigen Hausverwaltung, die ihm bestätigte, an der fraglichen Adresse seien niemals Geschäftsräume an eine Firma namens Mensung vermietet worden.
»Können Sie mir sagen, wem das Haus gehört?«, fragte Rebus.
Die Frau hatte Bedenken. Rebus betonte noch einmal, seine Ermittlungen seien Teil einer polizeilichen Untersuchung, und sie gab nach.
»Der Eigentümer«, sagte sie, »ist ein Mr. J. Simpson. In dieser Eigenschaft vermietet Mr. Simpson Räume an Simpson Associates, Combined Knitwear und einen Mr. Albert Costello.«
»Costello?«
»Der Zeitungshändler nebenan«, antwortete die Hausverwalterin.
»Bislang nichts«, sagte Brian Holmes, als sie sich mittags trafen. »Nichts, was dafür
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