Ein eisiger Tod - Ein Inspector-Rebus-Roman
Tüte ausstreckte, schlug sie ihm mit aller Kraft auf die linke Wange. Dann drehte sie sich um und machte sich wieder auf den Weg nach unten.
»Patience!«
Sie verlangsamte nicht einmal ihren Schritt. Sie ging einfach weiter. Er hob die Tüte höher, öffnete sie dann und sah hinein.
Es waren bloß irgendwelche Fetzen.
Fetzen und Schnipsel von Kater Lucky.
Am nächsten Morgen ging er mit der Tüte nach hinten in den Garten.
Der »Garten« war eigentlich nur ein Trockenplatz mit einer schmalen Umrandung von Blumenbeeten, um die sich Mrs. Cochrane kümmerte, vom Stockwerk unter Rebus. Vor der Hintertür, direkt bevor man in den Garten trat, gab es einen großen Wandschrank mit Vorhängeschloss. Er wurde als gemeinschaftlicher Abstellraum genutzt, nur dass Rebus nichts besaß, was er freiwillig in einem gemeinschaftlichen Abstellraum hätte stellen können. Jetzt aber schloss er die Tür auf und holte den Spaten des verblichenen Mr. Cochrane heraus.
Er legte die Plastiktüte neben dem Blumenbeet ab, vergewisserte sich mit einem Blick in die Runde und hinauf zu den Fenstern, dass niemand zuschaute, und hob dann den Spaten.
Als das Blatt auf den Boden stieß, spürte er die Erschütterung von den Handgelenken bis hinauf ins Rückgrat. Beim zweiten Versuch platzte eine dünne Scholle gefrorener Erde ab. Er beugte sich hinunter, um das Ergebnis seiner Bemühungen zu begutachten. Es war wie Karamell, gefrorener Karamell.
»Herrgott«, sagte er und probierte es noch einmal. Er konnte seinen Atem in der Luft sehen. Im hinten angrenzenden Mietshaus tauchte jemand, der wohl gerade Frühstück machte, am Küchenfenster auf. Es war zwar noch nicht richtig hell, aber Rebus wusste, dass er wie auf dem Präsentierteller zu sehen war.
Mehr bedurfte es nicht, um ihn zu der Erkenntnis zu bringen, dass er es besser aufgeben sollte. Also fuhr er stattdessen zum Cowgate, stellte den Wagen ab und spazierte mit der Tüte in der Hand ins Städtische Leichenschauhaus.
»Inspector«, sagte einer der Angestellten. »Was können wir heute für Sie tun?«
Rebus überreichte ihm die Tüte, bedankte sich und ging.
Er hatte sich mit Holmes und Clarke in einem trendigen Café in der Nähe der Universität verabredet, aber das Lokal hatte noch nicht geöffnet. Also zogen sie weiter zur Nicolson Street und fanden einen sauberen, hell erleuchteten Coffeeshop.
Er fragte die beiden, wie die Dinge in St. Leonard’s stünden. Sie vermuteten, dass man sie noch immer im Auge behielt, meinten aber, sie kämen schon klar.
»Gut«, sagte er, »denn ich hätte noch einen weiteren Auftrag für Sie. Ich brauche Informationen über eine bestimmte Firma. Sie existiert wahrscheinlich nicht mehr, aber 86, 87 hat es sie auf jeden Fall gegeben.«
»Eine GmbH?«
»Keine Ahnung.«
»Aktiengesellschaft?«
Rebus zuckte lediglich die Achseln. »Alles, was ich Ihnen sagen kann, ist ihr Name: Mensung.«
Clarke und Holmes tauschten einen Blick. »Die Akte des Councillors?«, fragten sie unisono.
»Es war eine Umschulungsfirma, anscheinend keine besonders gute. Sie hatte ihren Sitz am oberen Ende des Leith Walk, neben dem Playhouse. Ich möchte, dass Sie im Handelsregister nachsehen und mir die Namen sämtlicher in Schottland jemals gemeldeter Umschulungsfirmen bringen.« Er signalisierte der Kellnerin, dass sie bestellen wollten. »Jetzt nur keine falsche Bescheidenheit«, sagte er zu den beiden. »Sie können mir glauben, Sie werden sich diese Mahlzeit schon redlich verdienen.«
Zum Leith Walk ging er selbst.
Neben dem Playhouse befand sich ein Pub und ein Zeitungsladen, aber zwischen den beiden gab es eine, lediglich angelehnte, Tür. Außen an der Hauswand waren eine
Reihe von Firmenschildern angebracht, und einige Lücken zeigten, wo man andere Schilder abmontiert hatte. Rebus drückte die Tür auf, wobei er feststellte, dass sie nicht mehr ganz fest in den Angeln saß, und trat in einen unbeleuchteten Flur, in dem es übler roch als in vielen Kneipenklos, die er kannte. Die steinernen Stufen waren stark abgetreten, die Wände mit Graffiti übersät.
Im ersten Stock sah er sich zwei massiven Türen gegenüber, die eine mit einer angepinnten Karte, auf der »Combined Knitwear« stand, die andere mit einem viel älter aussehenden Namensschild: J. Joseph Simpson Associates. Rebus stieg weiter zum zweiten Stock hinauf, aber die Türen dort trugen keinerlei Namen und waren mit schweren Vorhängeschlössern gesichert. Er ging wieder hinunter, klopfte
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