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Ein endloser Albtraum (German Edition)

Ein endloser Albtraum (German Edition)

Titel: Ein endloser Albtraum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
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Tankwagens, während Fi aus dem Laster sprang und, ohne mich anzusehen, zu den Motorrädern rannte. Dieser Lauf, den auch ich gleich machen musste, war unser größtes Risiko. Wir mussten über etwa zweihundert Meter freies Gelände, bis wir zu den versteckten Motorrädern im Gebüsch kamen. Es gab keine Deckung, keinen Schutz vor zornigen Kugeln, die vielleicht hinter uns herschwirren würden. Ich schüttelte den Kopf, um die furchterregenden Gedanken loszuwerden, duckte mich, um nicht an der Unterseite der Brücke anzustoßen, und lief über den Verbindungssteg am Dach des Tankwagens. Als ich das Seil erreichte, sah ich auf. Fi war verschwunden und ich hoffte, dass sie die Büsche heil erreicht hatte. Ich begann das Seil Schlinge um triefende Schlinge herauszuziehen und warf es auf den Gehweg unter mir. In diesem engen Raum waren die Dämpfe entsetzlich. Sie machten mich schwindlig und ich bekam sofort Kopfschmerzen. Mir fiel ein, dass wir noch etwas vergessen hatten: ein Gewicht an das Ende des Seils zu binden, damit es im Tank blieb und nicht herausglitt, sobald ich mit dem anderen Ende davonlief. Dafür war es jetzt zu spät. Ich konnte nur den Deckel so weit wie möglich zudrücken und hoffen, dass er das Seil unten halten würde.
    Ich kletterte die Leiter hinunter. Ich hatte das Gefühl, dass ich ewig gebraucht hatte, um das Seil herauszuziehen. Die ganze Zeit hatte ich das Donnern über mir nicht beachtet, doch jetzt fiel mir auf, dass es leiser wurde. Ich konnte einzelne Hufe ausmachen. Ich war sofort in Schweiß gebadet, fand das lose Ende des Seils, packte es und rannte. Ich war in Benzin getaucht, hatte Benzin eingeatmet und fühlte mich daher sehr seltsam, als würde ich über das Gras schweben. Aber es war kein angenehmes Schweben, sondern eher die Art, bei der ich seekrank wurde.
    Ich war etwa hundert Meter von den Büschen entfernt, als ich zwei Geräusche gleichzeitig hörte; das eine war willkommen, das andere nicht. Das willkommene war das Dröhnen der Motorräder. Das unwillkommene war ein Schrei von der Brücke.
    Es gibt Geräusche, die die Kehle erzeugt und die unmissverständlich sind, auch wenn es sich um eine andere Sprache handelt. Als ich klein war, hatte ich einen kleinen Hund namens Rufus, eine Kreuzung zwischen einem Collie und einem Spaniel. Er war von Natur aus ein Kaninchenjäger und ich ging nachmittags mit ihm fort, weil es ein Vergnügen war, ihm zuzusehen, wie er ein Kaninchen jagte. Er stieß dann jedes Mal ein lautes Jaulen aus, das er bei keiner anderen Gelegenheit von sich gab. Ganz gleich, wo ich war oder was ich tat – wenn ich dieses Geräusch hörte, wusste ich, dass Rufus ein Kaninchen jagte.
    Der Schrei von der Brücke, obwohl nicht in meiner Sprache, war ebenfalls unmissverständlich. Er bedeutete: »Alarm! Kommt schnell!« Obwohl ich nur noch hundert Meter zurückzulegen hatte, sah es plötzlich aus, als würde ich nie hinkommen. Ich glaubte, dass ich mein Ziel nie erreichen würde, diese Entfernung niemals durchstehen konnte, dass ich für den Rest meines Lebens rennen und doch nie in Sicherheit sein würde. Es war ein entsetzlicher Augenblick, in dem ich dem Tod sehr nahe kam. Ich geriet in einen seltsamen Zustand, als wäre ich jetzt auf dem Hoheitsgebiet des Todes, obwohl mich keine Kugel getroffen hatte. Ich weiß nicht, ob überhaupt ein Schuss fiel. Aber wenn eine Kugel mich getroffen hätte, glaube ich nicht, dass ich es gespürt hätte. Nur Lebende können Schmerz empfinden und ich trieb von der Welt fort, die von Lebenden bewohnt wird.
    Dann erschien Fi und schrie: »O Ellie, bitte!« Sie stand in den Büschen, aber sie schien dicht vor mir zu sein und ihr Gesicht sah riesig aus. Ich glaube, dass es das Wort bitte war, das mich erreichte. Es gab mir das Gefühl, dass sie mich brauchte, dass ich wichtig für sie war. Unsere Freundschaft, Liebe, wie immer man es nennen will, erreichte mich über die ganze Entfernung hin und brachte mich zur Besinnung. Ich merkte plötzlich, dass Kugeln durch die Luft pfiffen, dass meine Füße auf den Boden trommelten, dass ich nach Luft schnappte, dass meine Brust schmerzte und dann war ich in der Sicherheit der Bäume und stolperte zu den Motorrädern. Ich ließ das Ende des Seils fallen, damit Fi es aufhob. Ich hätte Fi gern umarmt, war jedoch so weit bei Verstand zu wissen, dass ich eine benzingetränkte Aussätzige war und eine Umarmung von mir Fis Todesurteil gewesen wäre. Ich schnappte mir das am weitesten entfernte

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