Ein endloser Albtraum (German Edition)
schwieg und ich sprach weiter. »Er ist so anders als alle anderen, die ich kenne. Manchmal scheint er aus meinen Träumen zu kommen. Er wirkt um so viel reifer als die meisten Jungs in der Schule. Ich weiß nicht, wie er sie ertragen kann. Wahrscheinlich hält er deshalb Abstand zu ihnen. Aber ich habe das Gefühl, dass er in seinem Leben etwas Großartiges tun wird; ich weiß nicht was, vielleicht wird er berühmt oder Premierminister oder so was. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sein Leben lang in Wirrawee bleibt. Ich glaube einfach, dass sehr viel in ihm steckt.«
»Die Art, wie er diese Schusswunde hingenommen hat, war unglaublich«, sagte Fi. »Er blieb vollkommen ruhig. Wenn mir so etwas zugestoßen wäre, stünde ich jetzt noch unter Schock. Merkwürdigerweise habe ich dich und Lee nie als Paar gesehen. Es ist erstaunlich. Aber ihr versteht euch so gut.«
»Genau wie du und Homer.«
Wir lachten und machten uns daran, die Brücke zu beobachten. Die Stunden verstrichen langsam. Fi schlief sogar zwanzig Minuten lang. Ich konnte es kaum glauben, obwohl Fi wütend leugnete, überhaupt die Augen geschlossen zu haben. Je mehr Zeit verging, desto stärker wurde die Spannung in mir. Ich wollte sie hinter mir haben, diese verrückte, verwegene Sache, in die wir uns hineingesteigert hatten.
Das Problem war, dass kein Konvoi kam. Homer und Lee hatten einen Konvoi abwarten wollen, um eine Gnadenfrist zu haben, bevor der Verkehr wieder einsetzte. Doch es war beinahe vier Uhr früh und die Brücke blieb deprimierend leer.
Dann änderten sich plötzlich die Aktivitäten auf der Brücke. Die Wachposten waren alle unten am Cobblers-Bay-Ende, aber sogar aus dieser Entfernung merkte ich, dass sie aufmerksamer, wacher waren. Sie sammelten sich mitten auf der Brücke und blickten die Straße entlang – in die uns entgegengesetzte Richtung. Ich stieß Fi an.
»Etwas ist los«, sagte ich. »Vielleicht kommt ein Konvoi.« Wir bemühten uns angestrengt auf dem dunklen Highway etwas zu erkennen. Doch es war wieder das Verhalten der Wachposten, das uns klarmachte, was geschah. Sie begannen zurückzuweichen, dann zerstreute sich die kleine Gruppe, ein Teil ging zu der einen Seite des Brückengeländers, der andere zur anderen. Ein Mann lief kurz im Kreis herum, dann lief er auf die Straße nach Wirrawee zu, überlegte es sich jedoch anders und floh schließlich ebenfalls an die Seite.
»Es sind die Rinder«, sagte ich. »Sie müssen es sein.«
Wir rannten zum Tankwagen und ließen das stumme, nutzlose Walkie-Talkie zurück. Wir hatten keine Zeit, uns zu fragen, ob eine Patrouille die Straße herunterkam. Wir sprangen in den Lastwagen und starteten den Motor. Ich kuppelte ein und sah auf, und obwohl Schnelligkeit für uns jetzt lebenswichtig war, konnte ich nicht anders, als eine Sekunde lang den wunderbaren Anblick auf der Brücke zu genießen. Hundert oder mehr erstklassige Hereford-Rinder, große, rote, schöne Tiere, strömten wie ein mächtiger Zug aus Fleisch auf das alte hölzerne Bauwerk. Und sie legten sich mächtig ins Zeug. Sogar auf diese Entfernung konnte ich das Dröhnen der Hufe auf den Holzbalken hören. Sie liefen wie aufgezogene Lokomotiven.
»Wow!«, flüsterte ich.
»Fahr!«, schrie Fi.
Ich stieg auf das Gaspedal und der Tankwagen rumpelte los. Wir mussten ungefähr fünfhundert Meter fahren und mein Adrenalinausstoß war so groß, dass ich mich der Gefahr, den Kugeln, allem gegenüber unverwundbar fühlte. »Fahr!«, schrie Fi wieder. Als wir unter die Brücke gelangten, ließ ich den Tankwagen so weit nach links gleiten wie möglich, so dass er unter dem niedrigsten Teil des Brückenaufbaus zu stehen kam. Wichtig war, dass ich keinen Brückenpfeiler wegfegte und dabei Funken erzeugte, die Fi und mich schnell und schrecklich erledigt hätten. Aber wir hielten an der richtigen Stelle; der Abstand zwischen dem Dach des Tankwagens und der Brücke betrug weniger als zwei Meter. Erst jetzt dachten wir an die Möglichkeit, dass der Tankwagen überhaupt nicht unter die Brücke gepasst haben könnte; allerdings war es jetzt ein bisschen zu spät, sich dieses Problems anzunehmen. Wir hatten Glück gehabt. Fi konnte ihre Tür nicht öffnen, weil sie dem Brückenpfeiler zu nahe war, deshalb glitt sie auf meine Seite. Halb sprang, halb fiel ich aus der Kabine. Die Brücke über meinem Kopf donnerte und bebte, als die ersten Rinder der Stampede unser Ende erreichten. Ich kletterte über die Leiter aufs Dach des
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