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Ein endloser Albtraum (German Edition)

Ein endloser Albtraum (German Edition)

Titel: Ein endloser Albtraum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
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unsere Vorbereitungen. Wir kletterten wieder über die Leiter aufs Dach des Tankwagens und lockerten die Deckel der vier Tanks. Dann senkten wir das Seil in einen Tank, bis es gänzlich untergetaucht war – bis auf das Ende, das wir an einen Griff neben dem Deckel banden. Wir kletterten wieder hinunter.
    Jetzt konnten wir nur noch warten.

Einundzwanzigstes Kapitel
    Und wie wir warteten. Eine Zeit lang sprachen wir leise. Aus Sicherheitsgründen waren wir ein gutes Stück vom Sattelschlepper entfernt, saßen unter den Bäumen und betrachteten die Gas-Griller. Es war sehr still. Wir redeten hauptsächlich über die Jungs. Ich wollte so viel wie möglich über Homer erfahren und natürlich über Lee reden. Fi war total in Homer vernarrt. Ihre Gefühle erstaunten mich. Hätte mir jemand vor einem Jahr oder auch nur vor einem Monat gesagt, dass dies geschehen würde, so hätte ich dafür gesorgt, dass derjenige für lange Zeit in eine Privatklinik kam. Aber hier war sie: elegante, Vogue-, Designermarken-, großes-Haus-auf-dem-Hügel-Fi – total verliebt in einen rauen Burschen, einen der Jungs, den Graffitikönig Homer. Oberflächlich gesehen war es unmöglich. Nur war es jetzt kein Geheimnis mehr, dass in beiden mehr steckte, als mir jemals klar gewesen war. Fi wirkte zart und schüchtern und sie behauptete sogar selber, dass sie es war, aber sie war von einer Entschlossenheit, die mir noch nie aufgefallen war. Sie hatte Mut, irgendwo in ihr brannte ein Feuer. Und Homer war die Überraschung meines Lebens. Er sah jetzt sogar besser aus, weil er den Kopf hoch trug, selbstsicherer ging und eine andere Körperhaltung hatte. Er bewies so viel Fantasie und Klugheit, dass ich es kaum glauben konnte. Falls wir jemals wieder in die Schule gingen, würde ich ihn als Schulsprecher nominieren – und dann Riechsalz an die Lehrer verteilen.
    »In ihm stecken zwei Menschen«, sagte Fi. »Mir gegenüber ist er schüchtern, aber in einer Gruppe ist er selbstsicher. Aber am Montag hat er mich geküsst und das hat das Eis ein wenig gebrochen. Ich habe schon geglaubt, dass er es nie tun wird.«
    ›Richtig, sicher‹, dachte ich. Wenn ich daran dachte, wie weit Lee und ich bereits über unseren ersten Kuss hinausgelangt waren, wurde ich verlegen.
    »Weißt du«, fuhr Fi fort, »er hat mir erzählt, dass er in der achten Klasse in mich verliebt war. Und ich habe es nie bemerkt. Aber vielleicht war es besser so. Er war damals so ein ekelhaftes Reptil. Und die Jungs, mit denen er sich herumgetrieben hat!«
    »Er tut es immer noch«, sagte ich. »Das heißt, er tat es, bevor all das passierte.«
    »Ja«, sagte Fi, »aber ich glaube nicht, dass er noch viel mit ihnen zu tun haben will. Er hat sich so sehr verändert, findest du nicht?«
    »Und ob.«
    »Ich will alles über Landwirtschaft lernen, was ich nur kann«, sagte Fi, »damit ich ihm bei allem helfen kann, wenn wir verheiratet sind.«
    ›Du meine Güte!‹, dachte ich. Wenn sie so zu reden anfangen, weiß man, dass ihnen nicht mehr zu helfen ist. Nicht dass ich keine netten kleinen Vorstellungen davon gehabt hätte, wie Lee und ich als vollkommenes Ehepaar gemeinsam die Welt bereisten.
    Doch während ich Fi zuhörte, wurde mir klar, dass der eigentliche Grund, warum ich mich in letzter Zeit von Homer angezogen gefühlt hatte – und zwar auf eine starke und verwirrende Weise –, der war, dass ich Angst hatte, ihn zu verlieren. Er war mein Bruder. Da ich keinen Bruder und er keine Schwester hatte, hatten wir einander sozusagen adoptiert. Wir waren zusammen aufgewachsen. Ich konnte Homer Dinge sagen, die sich sonst keiner erlauben durfte. Es hatte Zeiten gegeben, wo er wirklich verrückt gespielt hatte, und ich war damals die einzige Person gewesen, auf die er gehört hatte. Ich wollte diese Beziehung nicht verlieren, vor allem jetzt nicht, wo wir für einige Zeit oder für immer so viele andere Beziehungen verloren hatten. Meine Eltern schienen so weit weg zu sein; je weiter sie sich entfernten, desto enger wollte ich Homer an mich binden. Ich erschrak richtig, als ich mir über meine Gefühle klar wurde, als verberge sich in mir eine Ellie, über die ich nicht viel wusste. Genau wie es in Homer und Fiona andere Seiten gab, die in ihnen schlummerten. Ich fragte mich, was für Überraschungen die geheime Ellie für mich noch auf Lager hatte, und beschloss in Zukunft genauer auf sie zu achten.
    Fi fragte mich, wie ich zu Lee stand, und ich antwortete einfach: »Ich liebe ihn.« Sie

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