Ein endloser Albtraum (German Edition)
Rucksack eine Schrotflinte gehabt«, sagte er. »Mit abgesägtem Lauf.«
Fi schnappte nach Luft. Jeder von uns starrte Homer fassungslos an. Wir hatten bereits mehrmals über unsere dürftigen Waffenbestände gesprochen und waren uns einig gewesen, dass es besser war, unbewaffnet vorzugehen. Außerdem wären wir erledigt, und zwar mit hundertprozentiger Gewissheit, wenn sie uns mit Waffen erwischten.
In mir brach ein emotionaler Wirbelsturm aus – ich war gleichzeitig wütend, verwirrt und fassungslos. Dafür war aber jetzt keine Zeit, das musste warten. Ich hielt Homer immer noch an den Zipfeln seines Hemds fest, jetzt ließ ich ihn los und brüllte Chris an: »Was zum Teufel ist geschehen? Sag schon!«
»Es war einfach Pech, allerärgstes Pech. Sie waren zu dritt. Zwei Männer und eine Frau. Die Männer beschlossen pinkeln zu gehen, und zwar genau dort, wo wir waren. Sie legten ihre Gewehre ab und kamen ins Gestrüpp. Dann waren sie nur noch drei Schritte von uns entfernt, knöpften sich schon die Hosen auf und blieben noch immer nicht stehen. Sie wären uns jeden Moment auf die Köpfe gestiegen. Homer hatte eine Hand in seinem Rucksack, um die Schrotflinte, nehme ich an. Plötzlich zog er sie hervor, hob sie an und schoss.« Chris sprach rasch, wiederholte im Geist, was geschehen war, und bemühte sich nichts zu vergessen, während der Film immer noch in seinem Kopf ablief.
»Der Typ fiel nach hinten. Der andere stieß einen Schrei aus, dann warf er sich auf Homer. Homer muss die Flinte herumgerissen haben. Er lag immer noch auf dem Boden. Der Kerl landete nur halb auf ihm, im selben Moment kam der zweite Schuss und alles war voller Blut und Homer kroch unter ihm hervor. Dann rannten wir hierher. Die Frau ist davongelaufen, da, die Straße runter, aber wir konnten nichts unternehmen, weil es eine doppelläufige Flinte ist. Ich weiß nicht, ob er noch mehr Patronen hat, aber es hätte zu lange gedauert, das Ding noch einmal zu laden. Sie rannte, was das Zeug hielt.«
»Wir müssen von der Straße runter«, sagte Robyn. »Besser gesagt, wir müssen hier weg.« Noch während sie sprach, wurde in der Ferne ein schwacher Lichtschein sichtbar: die gedämpften Scheinwerfer des Konvois, der sich am Anfang der langen Steigung befand und in Richtung der Schneise die Straße heraufgekrochen kam. Meine Gedanken stellten sich in so rascher Reihenfolge an, dass sie von hinten aufeinanderkrachten. Der Konvoi kam aus der entgegengesetzten Richtung, in der die Soldatin geflohen war. Wie lange würde sie brauchen, um Hilfe zu holen? Stand sie mit dem Konvoi in Verbindung? Zu Chris sagte ich: »Such die Straße ab. Wo haben sie ihre Gewehre gelassen?«
»Gleich dahinten.«
»Hol sie. Und alles, was du sonst noch findest. Alle anderen rauf auf die Böschung. Fi, du nimmst Homer mit. Legt die Nägel aus und seid bereit.«
Ich rannte mit Chris zurück. Wir hoben die beiden Gewehre auf, eines war ein altes .303-Repetiergewehr, das andere eine moderne automatische Waffe, die ich nicht kannte. Unmittelbar daneben lag ein kleiner Rucksack. Ich riss ihn auf und fand, was ich zu finden gehofft hatte: ein einfaches Funkgerät. Es war gut möglich, dass jede Patrouille nur ein Funkgerät hatte.
»Wo ist euer Zeug? Deines und das von Homer?«
»Immer noch dort.« Chris zeigte auf das Gestrüpp hinter uns. Ich nahm meine Taschenlampe und sah Chris an.
»Was, wenn sie noch am Leben sind?«, fragte er.
Ich zögerte kurz, dann zuckte ich die Achseln und ging voran. Nach nur wenigen Metern sah ich im Licht der Taschenlampe die Blutspuren im Gras, dann die aufgewühlte Erde. Die Spuren führten zu einem Körper: ein Soldat, der auf dem Rücken lag, die Augen weit offen und tot. Sein Oberkörper sah aus, als wäre er von zwei Riesenhänden aufgerissen worden. Ich schwenkte die Taschenlampe herum und sah die beiden Rucksäcke und daneben die blutbeschmierte Schrotflinte mit dem abgesägten Lauf. Chris hob die Rucksäcke auf und ich die Schrotflinte, wobei ich versuchte mein Zittern zu unterdrücken, als meine Finger den klebrigen Griff berührten. Ich richtete mich auf und in diesem Moment hörte ich den entsetzlichsten Laut der Welt, ein Schluchzen, das zugleich ein Röcheln war. Ich riss die Taschenlampe herum. Ungefähr zehn Meter von mir entfernt lugten unter einer kleinen Akazie seine Stiefel hervor. Ich ging hin, während Chris zurückwich. Dafür verachtete ich ihn, obwohl ich am liebsten genau dasselbe getan hätte. Ich schob die
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