Ein endloser Albtraum (German Edition)
gefahren waren, rückte Homer neben mir auf. »Halt meine Hand, Ellie«, sagte er. »Kannst du mit einer Hand fahren?«
»Klar.«
Wir fuhren einen oder zwei Kilometer so, stießen ein halbes Dutzend Mal beinahe zusammen, mussten dann aber loslassen, damit wir schneller vorwärtskamen. Aber wir unterhielten uns ein wenig, nicht über Bomben, Tod und Vernichtung, sondern über dumme kleine Dinge. Dann spielten wir zum Zeitvertreib Gruppen finden.
»Nenne bis zu dem Moment, in dem wir abbiegen, vier Länder, deren Name mit B beginnt.«
»Hilfe! Brasilien, Belgien, Britannien, nehme ich an. Hm. Bali? Ah, Bolivien. Okay, du bist an der Reihe, fünf grüne Gemüsesorten, bevor wir am Telegrafenmast vorbei sind.«
»Kohl, Brokkoli, Spinat. Fahr langsamer. Ah, Erbsen und Bohnen natürlich. Jetzt bis zum Wegweiser fünf Hunderassen.«
»Leicht. Corgis, Labradors, Deutsche Schäferhunde, Collies, Windhunde. Jetzt was Griechisches.
Nenne drei Olivenarten.«
»Oliven! Ich kenne keine einzige.«
»Es gibt drei Arten. Grüne, schwarze und gefüllte.« Er lachte so laut, dass er beinahe von der Straße abkam.
Beim Fünf-Kilometer-Schild wurden wir wieder ernst, hielten uns am Rand, schwiegen. Homer fuhr zweihundert Meter hinter mir. Ich übernehme gern Verantwortung – das ist kein Geheimnis – und Homer hatte offenbar für eine Weile genug. Vor jeder Kurve stieg ich ab, ging ein Stück vor und winkte dann Homer zu, wenn die Straße frei war. Wir kamen am Willkommen – Schild vorbei, dann an der alten Kirche und waren in den Vororten von Wirrawee, wie Homer es ausdrückte. Da die Bevölkerung von Wirrawee kaum einen Häuserblock in der Innenstadt füllt, war die Bezeichnung »Vororte« ein weiterer Witz von Homer. Je näher wir zu Robyns Haus kamen, desto angespannter wurde ich. Ich machte mir große Sorgen um sie und Lee. Sie fehlten mir so sehr und ich hatte solche Angst vor weiteren Zusammenstößen mit Soldaten. Während des Tages war so viel geschehen, dass ich kaum Zeit gehabt hatte, an Robyn und Lee zu denken; mir fielen nur banale Dinge ein wie: »Wo sie jetzt wohl sind. Hoffentlich sind sie heute Abend da. Hoffentlich geht es ihnen gut.«
Aber obwohl sie abgedroschen klangen, waren es wahre Gedanken.
Auf dem letzten Kilometer bis zu Robyns Haus bewegten wir uns sehr, sehr vorsichtig, schoben die Räder und waren bereit, uns auf alles zu stürzen – einen Ast, der sich bewegte, ein klapperndes Rindenstück, das auf den Boden fiel, einen schreienden Nachtvogel. Wir erreichten das vordere Tor und betrachteten die Auffahrt. Das Haus war stumm und finster.
»Ich weiß es nicht mehr«, flüsterte Homer. »Haben wir gesagt, dass wir einander im Haus treffen würden oder auf dem Hügel dahinter?«
»Ich glaube, auf dem Hügel.«
»Das glaube ich auch. Sehen wir zuerst dort nach.«
Wir ließen die Fahrräder hinter einem Busch in der Nähe des vorderen Tors und gingen durch das hohe Gras um das Haus herum. Ich war noch immer vorn und bewegte mich so leise wie möglich, abgesehen von einigen Ausrutschern wie gegen einen Schubkarren stoßen oder schmerzhaft über einen hohen Rasensprenger stolpern. Nach dem fahrbaren Rasenmäher in Mrs Alexanders Garten, der Corrie erledigt hatte, begann ich mich langsam zu fragen, ob irgendwer jemals irgendwas wegräumte. Aber ich sah keine Möglichkeit, den Schubkarren oder den Rasensprenger in Waffen zu verwandeln. Vielleicht konnten wir den Rasensprenger einschalten und den Feind nass spritzen? Ich kicherte bei dieser Idee und erntete einen erschrockenen Blick von Homer.
»Genießt du das?«, flüsterte er.
Ich schüttelte den Kopf, aber ehrlich gesagt fühlte ich mich selbstsicherer und entspannter als vorher. Mir ist Handeln immer lieber; ich bin glücklicher, wenn ich etwas tun kann. Fernsehen zum Beispiel hat mich immer gelangweilt; ich ziehe es vor, die Rinder zu füttern oder zu kochen oder sogar Zäune zu reparieren.
Auf der Spitze des Hügels hatte sich nichts verändert. Der Blick auf Wirrawee war der gleiche, die Lichter auf dem Messegelände und an einigen weiteren Stellen waren eingeschaltet. Einer dieser Orte war, wie Homer bemerkte, das Krankenhaus. Es sah aus, als wäre es in Betrieb. Aber es gab kein Zeichen von Robyn oder Lee. Wir warteten etwa zwanzig Minuten. Dann wurde uns kalt und wir begannen zu gähnen, so dass wir beschlossen Plan B, das Haus, auszuführen.
Wir gingen den Hügel hinunter. Etwa fünfzig Meter vom Haus entfernt packte mich Homer am
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