Ein endloser Albtraum (German Edition)
er sich uns ganz zu. »Ich habe wegen des Hubschraubers wirklich Angst. Gehen wir sofort los und heben wir uns das Plündern bis heute Abend auf. Ich treffe euch beim Scherschuppen. Wir werden alle Fahrräder mitnehmen müssen. Wir brauchen sie.«
Er griff nach dem Gewehr, zog die dichten braunen Augenbrauen hoch und sah Corrie an. Sie zögerte, dann murmelte sie: »Tu du es.« Sie kam mit uns mit, während Homer allein zu den Bäumen am Ende der Hauskoppel ging, wo die Kuh unruhig dastand. Der Schuss folgte einige Minuten später, während wir zu den Quartieren der Schafscherer liefen. Corrie wischte sich die Augen mit der linken Hand. Mit der anderen hielt sie Kevin an der Hand. Ich klopfte ihr auf den Rücken und fühlte mich unzulänglich. Ich wusste, was sie empfand. Man hängt an seinen Milchkühen. Ich hatte gesehen, wie Dad Arbeitshunde erschoss, die zu alt waren, Kängurus, die sich in den Zäunen verheddert hatten und zu schwach waren, um aufzustehen, Schafe, die auf dem Markt nicht anzubringen waren. Ich wusste, dass Millies Tage gezählt waren. Aber wir hatten nie eine Milchkuh erschossen.
»Hoffentlich nehmen uns Mum und Dad nicht übel, dass wir so etwas getan haben«, schniefte Corrie.
»Sie hätten es dir übel genommen, wenn du die Statue zerbrochen hättest«, versuchte ich sie aufzuheitern.
»Ein Glück, dass ich ein guter Fänger bin«, sagte Kevin.
Wir gelangten zu den Quartieren der Scherer und Homer kam wenige Minuten später nach. Gerade rechtzeitig. Vielleicht neunzig Sekunden später kam ein schwarzer Jet, schnell und tödlich, niedrig von Westen her. Er klang wie alle Zahnarztbohrer, die ich je gehört hatte, aber tausendfach verstärkt. Wir beobachteten ihn durch das kleine Fenster im Schlafraum der Scherer; wir waren zu fasziniert und hatten zu viel Angst, um uns zu bewegen. Er hatte etwas Diabolisches, Bedrohliches an sich. Er flog zielstrebig, überlegt und kaltblütig. Als er die Straße überquerte, schien er kurz anzuhalten und erschauerte leicht. Unter jedem Flügel kam ein kleiner Pfeil hervor, zwei schreckliche, schwarze Dinge, die größer wurden, während sie näher kamen. Sie kamen entsetzlich schnell. Corrie stieß einen Schrei aus, den ich nie vergessen werde – wie ein verwundeter Vogel. Eine Rakete traf das Haus und mehr brauchte es nicht. Das Haus löste sich in Zeitlupe auf. Es schien in der Luft zu hängen, als wäre es der Bastelsatz eines Hauses, ein Legosatz, der im Begriff war, zusammengebaut zu werden. Dann begann eine riesige orangefarbene Blume im Haus zu erblühen. Sie wuchs sehr schnell, bis sie keinen Platz mehr hatte und die Teile des Hauses aus dem Weg schieben musste, um sich entfalten zu können. Und plötzlich explodierte alles. Ziegel, Holz, verzinktes Blech, Glas, Möbel, die scharfen, orangefarbenen Blütenblätter der Blume, alles brach in sämtliche Richtungen auseinander, bis das Haus über die ganze Koppel verstreut war, in Bäumen hing, sich an Zäune klammerte, auf dem Boden lag. Wo das Haus gestanden hatte, war jetzt nur Schwarz: keine Flammen, nur Rauch, der langsam aus dem Fundament emporstieg. Der Lärm rollte wie Donner über die Koppeln und hallte in den Hügeln wider. Kleine Trümmer prasselten wie Hagel auf das Dach des Scherschuppens. Ich konnte es nicht glauben, wie lange sie fielen und, nachdem das Rattern der schweren Bruchstücke leiser wurde, wie lange die weichen Schneeflocken brauchten, um herunterzuschweben: die Papierstücke, die Materialstückchen, die Bruchstücke von Hartfaserplatten, die sich sanft und friedlich über die Gegend verstreuten.
Die zweite Rakete schlug in den Berghang hinter dem Haus ein. Ich weiß nicht, ob sie für die Scherschuppen bestimmt war oder nicht. Sie verfehlte uns nur knapp. Sie schlug so heftig in den Hügel ein, dass alles rundherum zu erbeben schien; es folgte eine Pause, dann kam die Explosion und einen Augenblick später brach ein ganzer Teil des Hügels einfach weg.
Der Jet wendete steil und flog über der Koppel am Fluss einen Kreis, wahrscheinlich damit sie die Show beobachten und genießen konnten. Dann wendete er wieder und beschleunigte in die Ferne, zurück zu seinem abscheulichen Lager.
Corrie lag auf dem Boden, hatte Schluckauf und wand sich wie ein Fisch an der Angel. Ihre Augen waren so verdreht, dass man die Pupillen nicht mehr sah. Nichts konnte sie beruhigen. Wir bekamen Angst. Homer rannte davon und kam mit einem Eimer Wasser zurück. Wir spritzten ihr welches ins
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