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Ein endloser Albtraum (German Edition)

Ein endloser Albtraum (German Edition)

Titel: Ein endloser Albtraum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
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mich nicht verstehen konnte, war, dass er das mit Homer nicht verstand – obwohl er gestern nahe daran gewesen war. Er wäre weniger verwirrt gewesen, wenn ich ihm gegenüber ehrlicher gewesen wäre. Aber ich wusste von Homer und war noch immer verwirrt. Ich seufzte und stand auf.
    »Komm jetzt, Krüppel, sehen wir uns die Hütte an.«
    Es war mein dritter Besuch der Hütte und sie hatte für mich ein wenig an Reiz verloren. Lee stocherte jedoch ziemlich lange herum. Diesmal war es im Raum heller; wahrscheinlich hing es von der Tageszeit ab, aber das Sonnenlicht hellte die Dunkelheit an der Rückwand etwas auf. Lee ging zu dem einzigen Fenster der Hütte, einem glaslosen Quadrat in der Rückwand. Er steckte den Kopf hinaus und betrachtete die Minze draußen, dann untersuchte er den verfaulenden Fensterrahmen.
    »Schön gemacht«, sagte er. »Sieh dir diese Fugen an. Warte, da ist etwas aus Metall.«
    »Was meinst du?« Ich kam zu ihm, als er mit dem Fensterbrett zu kämpfen begann. Da sah ich, was er meinte – das Fensterbrett verfaulte und zwischen den Bruchstücken wurde eine stumpfe, schwarze Metalloberfläche sichtbar. Plötzlich hob Lee das Brett senkrecht hoch. Es war eindeutig dafür gemacht worden, denn darunter war ein geometrisch genauer Hohlraum, der nicht viel größer als eine Schuhschachtel war. In ihn genau eingepasst war eine graue metallene Geldkassette in Schuhschachtelgröße.
    »Wow!« Ich war überrascht und aufgeregt. »Unwirklich! Sie ist wahrscheinlich voller Gold.«
    Lee hob sie heraus.
    »Sie ist sehr leicht«, sagte er. »Zu leicht für Gold.«
    Die Kassette wies die ersten Zeichen von Rost auf, ein paar rote Linien begannen über sie hinwegzukriechen, aber sie war in gutem Zustand. Sie war nicht versperrt und ließ sich leicht öffnen. Ich beugte mich über Lees Arm und sah nichts außer Papieren und Fotografien. Es war enttäuschend, obwohl mir später klar wurde, dass wir mit Gold nicht viel hätten anfangen können, solange wir unser Guerilla-Leben in den Bergen führten. Lee nahm die Papiere und Fotos heraus. Darunter war ein kleiner, blauer Behälter wie eine Brieftasche, aber aus steiferem Material; er war mit einer kleinen goldenen Spange verschlossen. Lee öffnete ihn vorsichtig. In ihm lag, eingewickelt in Seidenpapier, auf einem weißen Tuch ein kurzes, breites Band in leuchtenden Farben, an dem eine schwere Bronzemedaille hing.
    »Fantastisch«, flüsterte ich. »Er war ein Kriegsheld.«
    Lee nahm die Medaille heraus. Auf der Vorderseite war das Relief eines Königs – ich weiß nicht genau, welcher – und die Worte »Er, der tapfer war«. Lee drehte sie um. Auf der Rückseite war eingraviert: »Bertram Christie, für Tapferkeit, Schlacht von Marana« und ein Datum, das zu verschwommen war, als dass man es hätte lesen können. Das Band war rot, gelb und blau. Wir nahmen es in die Hand, betasteten es, staunten darüber, packten es wieder sorgfältig ein und legten es in die Kassette zurück, bevor wir unsere Aufmerksamkeit den Papieren zuwandten.
    Es waren nicht viele: ein Notizbuch, ein oder zwei Briefe, ein paar Zeitungsausschnitte und offiziell aussehende Dokumente. Es gab drei Fotografien: eine von einem streng aussehenden jungen Paar an dessen Hochzeitstag, eine von der Frau allein, wie sie vor einem schmucklosen Holzhaus steht, und eine mit der Frau und einem kleinen Kind. Die Frau war jung, sah aber traurig aus; sie hatte langes schwarzes Haar und ein schmales, glattes Gesicht. Sie hätte Spanierin sein können. Ich betrachtete die Fotos aufmerksam.
    »Das müssen die Menschen sein, die er ermordet hat«, flüsterte ich.
    »Seltsam, dass er ihre Fotos aufgehoben hat, wenn er sie ermordet hat«, sagte Lee.
    Ich betrachtete das Gesicht des Mannes auf dem Hochzeitsfoto. Er sah jung aus, vielleicht jünger als die Frau. Er blickte unbewegt in die Kamera, klare, entschlossene Augen und ein glatt rasiertes Kinn. Ich konnte in seinem Gesicht nichts von einem Mörder sehen und in den Gesichtern seiner Frau oder des Kindes nichts von einem Opfer.
    Lee begann die Dokumente zu öffnen. Das erste war offensichtlich ein Zeitungsbericht über eine Predigt. Ich las nur den ersten Absatz. Die Predigt begann mit einem Bibelzitat: »Das Mundwerk eines Narren ist sein Untergang und seine Lippen sind ein Fallstrick für ihn.« Der Text sah lang und langweilig aus, deshalb las ich nicht weiter. Der zweite Ausschnitt war ein kurzer Artikel mit der Überschrift Opfer der Tragödie in Mt.

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