Ein endloser Albtraum (German Edition)
wirklicher Küchenmensch; der Feminismus hatte sie vielleicht dazu gebracht, ihre Meinung offener zu äußern, aber er hatte nicht viel an ihren Aktivitäten geändert. Ich stellte sie mir vor, wie sie ihre Bibliotheksbücher suchte, Kartoffeln ausgrub, telefonierte, fluchte, während sie den Ofen anheizte, schwor, dass sie ihn morgen gegen einen elektrischen eintauschen würde. Sie tat es nie. Sie behauptete, dass sie den alten Ofen behielt, falls einmal Touristen ihren Urlaub auf unserer Farm verbringen und ihn malerisch finden würden. Das brachte mich zum Lächeln.
Ich weiß nicht, ob es mir gelang, mich wohlzufühlen, indem ich an meine Eltern dachte, aber auf diese Art blieben sie für mich lebendig und in meinen Gedanken. Ich hatte Angst davor, was passieren könnte, wenn ich damit aufhörte. Wenn ich zuließ, dass sie allmählich verschwanden, so wie ich jetzt im Schlaf versank. Normalerweise dachte ich um diese Zeit auch an Lee, drückte ihn an mich, stellte mir seine glatte braune Haut und seine festen Lippen vor, aber heute Abend war ich zu müde und außerdem hatte ich an diesem Tag schon genügend an ihn gedacht. Ich schlief ein und träumte stattdessen von ihm.
Ich hatte erwartet, dass die beiden Tage mit Homer, Fi und Lee interessant sein würden, und das waren sie auch. Eigentlich sogar zu interessant – sie belasteten meine Gefühle. Wir waren ohnehin alle gereizt und hätten gern gewusst, wie es den anderen vier ging. Aber der Dienstag begann kühler und erwies sich auf vielerlei Art als überaus interessanter Tag; ein Tag, den ich nie vergessen werde.
Wir hatten uns darauf geeinigt, wieder früh aufzustehen. Je länger wir uns in der Hölle aufhielten, desto mehr gewöhnten wir uns an einen natürlichen Rhythmus, gingen zu Bett, wenn es dunkel wurde, und standen im Morgengrauen auf. Das entsprach überhaupt nicht dem Tagesablauf, den wir zu Hause gehabt hatten. Aber hier hatten wir damit begonnen, ohne es zu merken. Es war nicht ganz so einfach. Wir blieben oft noch nach Einbruch der Dunkelheit auf, machten ein Feuer, kochten für den nächsten Tag vor oder tranken bloß eine Tasse Tee – etlichen von uns fehlte unsere Tasse Tee während des Tages –, aber wir begannen bald zu gähnen, aufzustehen, uns zu strecken, den Bodensatz wegzuschütten und in unsere Zelte zu gehen.
Als es also an diesem Dienstagmorgen noch kalt und feucht war, versammelten wir uns beim erloschenen Feuer, sprachen gelegentlich und lauschten den sanften Stimmen der Elstern und dem aufgeschreckten Gemurmel der Hühner. Wir aßen unser übliches kaltes Frühstück. An den meisten Abenden weichte ich getrocknete Früchte in einem fest verschlossenen Kessel in Wasser ein, so dass die Opossums sie nicht fressen konnten. Am Morgen waren die Früchte saftig und wohlschmeckend und wir aßen sie mit Müsli oder anderen Getreideflocken. Fi verwendete meist Trockenmilch, die wir ebenfalls bereits am Vorabend in Wasser auflösten, so dass sie am Morgen fertig war. Bei unserer Fahrt zu den Grubers hatten wir noch einige Tuben Kondensmilch ergattert, aber auch die hatten nicht lange vorgehalten; wir hatten sie innerhalb von vierundzwanzig Stunden leer gesaugt.
Unsere wichtigste Aufgabe an diesem Morgen war, Brennholz zu sammeln. Wir wollten einen großen Stoß aufbauen und ihn dann tarnen. Das klingt verrückt, mit all dem Busch rundum. Aber es war ziemlich schwierig, an Brennholz heranzukommen, weil der Busch so dicht war. Außerdem gab es jede Menge kleinerer Arbeiten, die getan werden mussten – Holz hacken, Entwässerungsgräben um die Zelte herum anlegen, ein neues Klo graben (das erste war voll), fest verschlossene Essenspakete vorbereiten, die wir in den Bergen aufbewahren konnten, wie Homer vorgeschlagen hatte. Da Lee noch immer nicht sehr beweglich war, wurde er mit den Essenspaketen beauftragt; außerdem musste er Geschirr spülen und die Gewehre putzen.
Wir hatten vor den größten Teil des Vormittags eifrig zu arbeiten, nach dem Mittagessen eine Pause zu machen und am Abend weitere Ladungen vom Landrover hierherzubringen. Wir schafften tatsächlich eine ganze Menge, bevor es so warm wurde, dass wir langsamer wurden. Wir hatten einen etwa einen Meter hohen und drei Meter breiten Stoß Brennholz zusammengetragen und dazu einen Extrastoß Anzündmaterial. Wir gruben die Entwässerungsgräben und das Klo, dann bauten wir einen besseren Unterstand für die Hühner. Es war erstaunlich, wie viel Arbeit vier Leute schaffen
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