Ein endloser Albtraum (German Edition)
verstehen.«
Es wurde dunkel und wir mussten wieder alles für eine lange Nacht organisieren, die mit einem Marsch über die Satansstufen begann. Ich war müde und hatte keine große Lust zu gehen, vor allem deshalb, weil Lee nicht mitkommen konnte.
Sein Bein war noch immer steif und schmerzte. Als es so weit war, schleppte ich mich hinter Homer und Fi hinauf und war zu schwach, um zu jammern – wenn ich es getan hätte, hätte ich ein schlechtes Gewissen gehabt. Aber allmählich belebte mich die milde Nachtluft wieder. Ich begann tiefer zu atmen und bewunderte die schweigenden Berge, die ernst dastanden. Der Ort war schön, ich war mit meinen Freunden zusammen und sie waren gute Menschen, wir kamen mit den schwierigen Umständen gut zurecht. Es gab eine Menge Dinge, über die wir unglücklich sein konnten, aber irgendwie hatten mir die Papiere in der Hütte des Einsiedlers und Lees lange, schöne Küsse eine bessere Perspektive vom Leben verschafft. Ich wusste, dass das nicht anhalten würde, aber ich versuchte es zu genießen, solange es ging.
Beim Landrover überlegten wir uns ein neues Versteck für die Fahrzeuge, damit sie besser vor jemandem geschützt waren, der den Weg benützte. Es war nicht leicht und schließlich mussten wir uns mit einer Stelle hinter Bäumen zufriedengeben, die beinahe einen Kilometer weiter unten am Hügel lag. Ihr großer Vorteil war, dass man über Felsen fahren musste, so dass keine Spuren zurückblieben – solange die Reifen trocken waren. Ihr großer Nachteil war, dass der Weg in die Hölle von dort aus länger war und der Marsch ohnehin schon lang genug war.
Fi und Homer wollten dort auf die vier warten, die im Morgengrauen aus Wirrawee zurückkommen sollten, aber ich wollte Lee nachts nicht allein im Lager lassen. Aus diesem mildtätigen Grund und keinem anderen füllte ich einen Rucksack bis obenhin an, nahm einen Sack mit Kleidung in die Hand und wanderte beladen wie ein Lastwagen allein in die Hölle zurück. Es war ungefähr Mitternacht, als ich Fi und Homer verließ. Sie sagten, dass sie sich hinten im Landrover ausstrecken und ein paar Stunden schlafen wollten, während sie warteten.
Sie sagten jedenfalls, dass sie das tun würden.
Als ich aufbrach, stand der Mond schon hoch am Himmel. Die Felsen hoben sich hell von dem schmalen Kamm des Taylors Stitch ab. Aus einem niedrigen Baum vor mir schrie plötzlich ein kleiner Vogel und flog mit flatternden Flügeln auf. Die Büsche nahmen die Gestalten von Kobolden und Dämonen an, die darauf warteten, sich auf mich zu stürzen. Der Pfad zog sich zwischen ihnen hin: Wenn ein Schneider ihn genäht hatte, musste er verrückt oder besessen oder beides gewesen sein. Weißes, trockenes Holz leuchtete vor mir wie Knochen und meine Füße knirschten auf den kleinen Steinen und dem Schotter. Vielleicht hätte ich Angst haben sollen, als ich allein durch die Dunkelheit wanderte. Aber ich hatte keine Angst, ich konnte mich nicht fürchten. Die kühle Nachtbrise küsste die ganze Zeit mein Gesicht und der Duft der Akazien verlieh der Luft eine zarte Süße. Das war mein Land; ich hatte das Gefühl, dass ich wie die Bäume um mich, wie die zarten Pflanzen mit den winzigen Blättern am Wegrand aus dem Boden gewachsen war. Ich wollte zu Lee zurückgehen, sein ernstes Gesicht und diese braunen Augen wieder sehen, die mich bezauberten, wenn sie lachten, und mein Herz ergriffen, wenn sie ernst waren. Aber ich wollte auch für immer hierbleiben. Wenn ich länger blieb, würde ich selbst Teil der Landschaft werden, ein dunkler, verkrümmter, duftender Baum.
Ich ging sehr langsam, weil ich zwar zu Lee kommen wollte, aber nicht zu schnell. Mir war das Gewicht der Vorräte, die ich trug, kaum bewusst. Ich erinnerte mich daran, wie ich vor langer Zeit – es kam mir wie Jahre vor – an diesen Ort, die Hölle, gedacht hatte und dass nur Menschen ihr so einen Namen hatten geben können. Nur Menschen wussten von der Hölle; sie waren Fachleute auf diesem Gebiet. Ich erinnerte mich daran, dass ich mich gefragt hatte, ob die Menschen die Hölle waren. Der Einsiedler zum Beispiel; was auch immer an diesem schrecklichen Weihnachtsabend geschehen war, ob er aus großer Liebe oder aus großer Bösartigkeit so gehandelt hatte ... Das war eben das Problem, dass er als ein menschliches Wesen jedes von beidem oder beides hätte tun können. Andere Geschöpfe hatten keine solchen Probleme. Sie taten einfach, was sie taten. Ich wusste nicht, ob der Einsiedler
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