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Ein Engel an Güte (German Edition)

Ein Engel an Güte (German Edition)

Titel: Ein Engel an Güte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ippolito Nievo
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darauf», sagte der Alte.
    Und er setzte seinen Weg zu Morosinas Wohnung fort.
    « Oh, wie schön du bist, mein Töchterchen!», rief er beim Eintreten.«Bravo, sehr gut, ihr Mädchen! Im Übrigen möchte ich wetten, dass Mutter Natur größeres Verdienst daran hat als ihr beide.»
    Morosina trug ein sehr leichtes, ganz mit weißen Spitzen und Blumenstickerei besetztes Kleid; um den Busen, dessen Ansatz zu sehen war, und um die Oberarme waren feuerrote Bänder geschlungen, die Arme bis eine Spanne über die Ellbogen entblößt. Von den Schultern erhob sich, schön gerundet und jedem Schmuck abhold, der Hals und trug anmutig das zarte Oval des Kopfes, an dessen beiden Seiten die Flechten zu enormen Spiralen gewunden waren. Die rosigen und fleischigen Ohrläppchen waren halb verdeckt von dieser Masse blonden Haars, und ein leichter, mit Silber durchwirkter Schleier fiel vom Scheitel bis auf die Schultern herab.
    « Wie eine Königin würdest du aussehen mit Perlen im Haar!», sagte Formiani.«Aber warte, warte! Wenn es Mädchen auch verboten ist, großen Kopfputz zu tragen, so kann mich doch kein Gesetz daran hindern, dir ein paar Kleinigkeiten anzustecken, die ich für dich in diesem Kästchen bereitgelegt habe. Und wenn die Luxusaufseher 46 Anstoß daran nehmen sollten, dann sagst du ihnen eben, das seien meine Sachen, und weil ich sie verkaufen wolle, hätte ich sie dir angelegt, um sie recht zur Geltung zu bringen.»
    Man muss nämlich wissen, dass vor geraumer Zeit einige Leute mit großem Herzen und kleinem Verstand den erschreckenden Verfall der Republik erkannt hatten und ihm wirksam begegnen wollten; mit der uns Sterblichen eigenen Ungeduld, die alle Übel am liebsten mit der Rute der Alcina 47 austreiben möchte, hatten sie als probates Mittel den Vorschlag unterbreitet, sämtliche Anzeichen dieses Niedergangs zu verbannen, darunter nicht das Geringste der maßlose Luxus war, dem sämtliche Stände der Gesellschaft dazumal frönten. Giusti schreibt:
    « Der Riss im Putz zeigt an,
dass die Wand bald einstürzen wird...» 48
    Diese werten Herren Baumeister meinten nun, eine Wand zu festigen, indem sie den Riss mit irgendeiner Paste zukitteten. Verbote von Luxus bleiben bekanntlich entweder wirkungslos, oder wenn sie Wirkung zeigen, wird davon jener Teil der Gesellschaft unwiderruflich paralysiert, der sein Auskommen mit den Luxusaufwendungen findet, die von diesen verboten werden. In der Republik Venedig traten nun beide Übel auf, da solche Gesetze, kaum erlassen, dahinsiechende Erwerbszweige wie florierende Geschäfte zugrunde richteten; als die Luxusmanie dann aber wieder auflebte, als diese Ressourcen im Land eben nicht mehr vorhanden waren, zog das durch die gestiegenen Preise den Ruin großer Adelsgeschlechter nach sich und führte aufgrund der Abhängigkeit von ausländischen Manufakturen zur Verarmung des Staates. Zu den Kosten für den Luxus selbst kamen nach dessen illegalem Wiederaufleben nun auch noch die Bestechungsgelder für die Luxusaufseher hinzu, die, von der Regierung bestallt, übertriebenen Aufwand einzudämmen, sich ihr Nichteinschreiten vom Prunk treibenden Publikum teuer bezahlen ließen. Auf diese Mitwirkenden an der allgemeinen Korruption spielte der Inquisitor an, der sich wie alle anderen auch öffentlich über sie lustig machte; wäre jedoch im Großen Rat jemand für die Abschaffung ihres bestechlichen Wirkens eingetreten, so hätte er lauthals auf Hochverrat plädiert.
    Unterdessen hatte er mit einem kleinen Schlüssel, den er in der Westentasche trug, die Schatulle geöffnet und zwei Armreifen, zwei mit Perlen besetzte Schleifen, zwei Brillantgehänge und eine Halskette daraus hervorgeholt.«Nimm», sagte er zu Adriana,«und leg ihr diese Kleinodien an, und du, Moretta, sag mir, was du davon hältst.»
    Adriana schlang die Perlenkette zweifach um Morosinas Hals, streifte ihr die Armreifen über, setzte die Diamanten an die Stelle der bescheidenen Ohrgehänge, und die beiden Schleifen befestigte sie hinter den Schläfen mitten auf den beiden prachtvoll gewundenen Flechten, die sie wie eine Krone zierten.
    « Wunderschön!», urteilte Moretta.«Allerdings würde ich die Perlenkette nur einmal schlingen und lose lassen, das erscheint mir vornehmer.»
    « Nein, nein, meine Liebe!», widersprach Adriana.« Gestern Abend trug die Prokuratorin sie genauso doppelt geschlungen, und ich kann dir versichern, dass das dem Hals nur umso mehr schmeichelt!»
    Morosina ließ sie reden und

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