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Ein Engel an Güte (German Edition)

Ein Engel an Güte (German Edition)

Titel: Ein Engel an Güte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ippolito Nievo
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trinken und die Augen nicht ordentlich offen halten, dann adieu, Back, Fregatte und Mannschaft! Und am Morgen schaut dann nur noch die Mastspitze aus dem Wasser!»
    « Ah, das ist gut!», rief Adriana lachend.
    « Das ist gut? Was gibt es denn da zu lachen? Zunächst einmal hätte die arme Catte dann überhaupt keine Kinder mehr...! Wenn man bedenkt, dass sie fünfzehn zur Welt gebracht hat; und jetzt hat sie nur noch diesen einen!»
    « Ich werde bestimmt nicht so viele auf die Welt bringen!», beteuerte Adriana.
    « Sie hätte bestimmt auch nicht so viele zur Welt gebracht, wenn sie gewusst hätte, dass sie sie alle verlieren würde, und den Letzten auf so erbärmliche Weise!»
    « Ja, gibst du ihn denn schon verloren?», rief die andere.«Dabei hast du doch gar keinen Grund zum Verzweifeln! Verliert die Catte diesen Sohn, so bleibt ihr von ihren fünfzehn Kindern kein Einziges mehr, dir aber bleiben, sollte er wirklich zum Teufel gehen, neun andere quicklebendige und gesunde Verehrer, oder liege ich da etwa falsch?»
    « Also, kommst du mit?», sagte Moretta mit einem Achselzucken.
    « Gut, gehen wir!», sagte die andere, trat vom Balkon ins Zimmer und schnappte sich aufs Geratewohl einen der Schleier, die auf den Sesseln herumlagen.
    Alle schönen Frauen habe ihre Bühne, und fünf Minuten später waren die beiden Zofen vor dem nahe gelegenen Cafe die Königinnen, umringt von einer Schar von Bootsführern, Tratschweibern, Dienern und vor allem Barbieren.

IV
Liebesseligkeit
    Auf dem Canal Grande war mit sanftem Wogen die wunderschöne Stunde des Sonnenuntergangs vorübergegangen, ihre ganze Farbenpracht ausbreitend; jetzt lag über allem nur noch das letzte, weißliche Dämmerlicht. Beinah allerorten durch den gewundenen Verlauf der Ufer gedämpft, brach das Licht nur hier und da noch einmal unversehens, durch eine nach Westen hin sich öffnende Häuserflucht, in hellem Strahl hervor, und wenn die Gondeln diese breiten Lichtschneisen durchquerten, erschienen darin, wie eben erst von Feenhand erschaffen, die reizendsten Damen, weich in den Kissen ruhend; die Kleider schimmerten weiß, die Edelsteine funkelten, Blicke flogen blitzend hin und her. Bis ein Ruderschlag die Erscheinung im dunklen Schatten eines Palazzo zum Verschwinden brachte und man nur noch, da keine Bilder mehr vor Augen standen, ein allmählich verklingendes, leises Stimmengewirr voller Zärtlichkeit und Liebe vernahm.
    Doch andere Gondeln, glänzender als die ersten, folgten nach; bei der kurzen Fahrt durch dieses Licht tauchten andere Gesellschaften auf, noch verführerischere Damen, noch weißere Schleier, wollüstigere Posen und noch süßerer Wohllaut der Stimmen, dem Geräusch inniger Küsse gleich. Venedig gleicht der Nachtgeranie, die sich in der Morgendämmerung schließt und der Sonne die Gunst ihres Dufts verweigert, ihre Blütenkelche jedoch im ersten kühlen Abendhauch, der sich beim Ave-Maria regt, öffnet. Und wennjedes andere Lebewesen unter dem Mantel der Dunkelheit erschaudernd verstummt, weiß sie allein der Tauspenderin mit ihren Wohlgerüchen Dank. Auch wenn dieser Vergleich nach Allerweltspoesie klingt, ist er darum doch nicht weniger wahr. Denn während das Ersterben des Lichts das Leben im Universum nach und nach zum Verstummen brachte, nahm hier auf der ganzen Länge des Kanals das festliche Gedränge von Menschen und Gondeln zu; es war ein unentwegtes Sich-Begegnen, Sich-Fliehen, Sich-Einholen, Einander-Ausweichen, Sich-Annähern und -Täuschen. Die Rufe der Ruderer, das Gelächter der ausgelassenen Gesellschaften, der Gesang der Zecher wurden mit wachsender Dunkelheit immer kecker, und die Gespräche in den Grüppchen, die bis dahin dem vorsichtigen Gewisper hinter dem Rücken eines Eifersüchtigen geglichen hatten, wurden vernehmlicher. Die Erzählung der Ereignisse des Tages strömte freier von den Lippen, und die Sticheleien wurden schärfer. Kurzum, wie eine vorgehaltene Maske schien die Nacht die Seelen von einem letzten Rest an Scham zu befreien.
    Staunend betrachtete Morosina diese auf den ersten Blick so gleichförmige und schlichte Szenerie, die indes einen unwiderstehlichen Zauber auf ihre Seele ausübte. So viele Gedanken strömten auf sie ein, dass sie bei keinem verweilen konnte; und unwillkürlich vermischten und verwirrten sie sich mit den in dieser Menschenmenge vorherrschenden Gefühlen. Eine ungewohnte Mattigkeit erfasste ihre Glieder, die von einem unbekannten Feuer erglühenden Augen irrten hierhin

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