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Ein Engel an Güte (German Edition)

Ein Engel an Güte (German Edition)

Titel: Ein Engel an Güte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ippolito Nievo
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gewohnte Grinsen seine Lippen, und schließlich warf er die Papiere in eine Schublade, die von anderen, ähnlichen Schriftstücken bereits überquoll. Er schloss sie und machte mit der Hand ein Kreuzzeichen darüber, als Bernardo wieder eintrat.
    « Hierher, zu mir, teuerster Sekretär», begann Seine Exzellenz.«Schließ erst einmal den Fensterladen dort, die Sonne reizt mein starres rechtes Auge. Nun gib mir die Tabaksdose und schau nicht so verdrießlich drein wie sonst, denn wir gehen sehr vergnügten Zeiten entgegen. Weißt du, dass ich dich testamentarisch verpflichten will, die Totenrede auf mich zu halten? Ich bin mir sicher, diese Hohlköpfe werden es nicht wagen, dir ins Gesicht zu lachen!»
    Bernardo verneigte sich und rieb sich die Hände, eine Pantomime, die bei ihm das Lächeln ersetzte.
    « Bravo, Bernardino, und da du gerade bei Laune bist, sag mir doch, ob du nichts Neues von der Familie Carmini weißt», fragte der greise Ratsherr.
    « Ich hatte das Glück, Momolino am gewohnten Ort zu treffen.»
    « Wo du ihm das gewohnte Frühstück bezahlt hast.»
    « Ja, Exzellenz; und wo er mir zwischen zwei Bissen berichtete, der Graf sei heute Morgen außerordentlich erfreut gewesen darüber, dass endlich der Ausweisungsbefehl über diesen Giorgetto verhängt worden ist.»
    « Armer Teufel!», rief Formiani.«Es steht übel um ihn, so er keine anderen Freuden hat. Man denke nur! Einen Monat haben sie darauf hingearbeitet! Und was weißt du von Cavalier Terni?»
    « Ich weiß, dass er in aller Frühe beim Grafen Fabio war und eine einstündige Unterredung mit ihm hatte!»
    « Armer Bursche! Da hatte er ja einiges auszustehen! Und er hat es nicht verdient, das schwöre ich dir. Allein, es freut mich, dass er auch diesmal weder vor Zorn noch vor Verdruss umgekommen ist!»
    « Nein, umgekommen ist er nicht, aber als er aus dem Haus des Grafen trat, schien er sehr verärgert, der kam ihm nachgelaufen und sagte mit honigsüßer Stimme: ‹In zwei Monaten, Mitte August, können wir’s versuchen, aber jetzt ist es unmöglich. ›»
    « Und hat sich der Cavaliere damit zufriedengegeben? »
    « Er antwortete nur ganz knapp: ‹Einverstanden, und ich schicke die Antwort dort hinauf: bis zum 15. August also.› Dann, ohne sich umzuwenden oder zu grüßen, stürzte er die Treppe hinunter.»
    « Also dieser Momolino hat wahrlich ein Talent, seine Berichte dramatisch auszugestalten.»
    « Er hat dreimal so viel davon wie seine Herrschaft, die ihn als Papagei im Haus hält.»
    « Papagei ist er, und zwar mit großem Erfolg!», rief der Inquisitor.«Jetzt sag mir: Hast du Seine Exzellenz Pitocca 40 gesehen?»
    « Als ich Euer Exzellenz im Senat verließ, habe ich eine gute Stunde mit ihm zugebracht. Das, sehen Sie, das ist ein Mann!»
    « Ja, ja, Bernardino, das ist bekannt, er ist ein Mann deines Schlages. Und hat er dir nichts von meinem Herrn Neffen erzählt? Du weißt, dass mir viel an diesem trefflichen jungen Mann liegt!»
    « Seine Hochwohlgeboren Vettor Formiani hat gestern Morgen bei dem Bankier am Rialto eine weitere Stundung von einem Monat erwirkt und sagt, das werde reichen.»
    « Gott strafe ihn! Das wird nicht reichen!»rief der Inquisitor.«Ich hoffe, ich lebe wenigstens noch ein Jahr, um von der Madonna della Salute eine bestimmte Gnade zu erbitten, das soll ihm die Suppe schon versalzen. Und hat er dir noch mehr von dem teuren Vettoretto erzählt?»
    « Er hat erzählt, gestern habe er, auf Kredit natürlich, sechzig Ellen Samt für die Trauerdekoration seines Hauses gekauft.»
    « Oh, was für ein liebevoller und vorausschauender Neffe!»
    « Und dann war er zum Essen bei der Prokuratorin Costanza.»
    « Und dann?»
    « Dann ist er mit ihr ausgefahren und hat sie zum Spiel beim Durchlauchtigsten Dogen begleitet, wo er zwanzig Zechinen 41 auf eigene Rechnung verlor und zwölf für die Dame bezahlte.»
    « Und dann?»
    « Dann ward er um elf im Caffè delle Riva 42 gesehen, wo er seine Frau wie üblich in Begleitung des französischen Gesandtschaftssekretärs 43 antraf, und hielt sich dort mit ihnen bis Mitternacht auf. Dann wechselte er ins Bionda di Chioggia , wo außergewöhnlicher Publikumsandrang herrschte; dort verlor er elf Zechinen und blieb bis zum Morgengrauen. Dann ging er nach Hause, und heute Morgen erschien er zur Stunde der Abstimmung im Senat, um mit der schwarzen Kugel gegen den Antrag Manuelli zu stimmen. 44 »
    « Und woher weißt du das?»
    « Weil er sich schon vor drei Monaten, als er

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