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Ein Engel an Güte (German Edition)

Ein Engel an Güte (German Edition)

Titel: Ein Engel an Güte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ippolito Nievo
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gehört nicht eben zu meinen größten Tugenden, es kostet mich schon Mühe genug, meine eigenen Füße voranzuschleppen, als dass ich anderen Leuten auf die ihren helfen könnte. So kann ich mich mit ganzer Kraft meiner Dichtung widmen...»
    « Welcher Art ist sie denn: sakral, höfisch, ritterlich oder pikant?»
    « Von allem etwas; es geht vor allem um die Ruhmestaten des Hauses Formiani ...!»
    « Sehr gut, lieber Don Gasparo!», rief der durchtriebende Alte.«Du hast einen scharfen Witz, der wirklich ins Schwarze trifft. Ich nehme die Widmung des Gedichts an, vorausgesetzt, du setzt vorne drauf Vor- und Nachnamen und vor allem sämtliche Titel des Widmungsträgers, ohne ein einziges et cetera .»
    « Ja, gewiss», antwortete Don Gasparo, während er ein Hühnerbrüstchen zerlegte.
    « Ja, gewiss? Aber weißt du denn nicht, dass wir wegen dieser Titel großen Streit miteinander bekommen werden?»
    « Aus dem ich als Sieger hervorgehen werde», erwiderte der Priester.
    « Wie das, wenn’s beliebt?»
    « Weil die heilige Mutter Kirche das jus praecedentiae 38 hat und ihre Titel alle anderen hintanrücken. »
    « Bravo, ha-ha-ha-ha, bravo, mein Pfäffchen!», rief Formiani lachend.«Komm einmal her, Morosina, und sag mir, ob man für einen solchen Hauskaplan nicht zehn Essen am Tag zahlen sollte statt zwei...! ‹Und warum zahlt Ihr ihm zwei?›, wirst du mich fragen. Dir das zu erklären, wäre eine langwierige Angelegenheit, Tatsache ist, ich zahle sie, es sei denn, ich liege falsch und zahle womöglich noch mehr.»
    « In der Tat erwerben sich Euer Hochwohlgeboren seit zwei Monaten vor Gott das Verdienst, drei zu bezahlen», bemerkte der Hauskaplan.
    « Und wie kommt das, Gasparino?»
    « Weil der Mutter der Schwester des Sakristans von San Geremia der Vetter ihres verstorbenen Mannes, mit dem sie zusammenlebte, gestorben ist, und jetzt führt die arme Frau mit ihrer überaus gottesfürchtigen Schwester, die mein Beichtkind ist, ein Leben wie eine Heilige.»
    « Aber hör, Gasparino, könnten wir sie nicht als Bettler im Dogenpalast unterbringen? Da sind eben zwei Stellen vakant, um welche sich die Adligen zu Dutzenden bewerben – sie auszustechen, weißt du, wäre ebenso sehr ein Triumph für ihre Eigenliebe wie ein Trost für ihre leeren Taschen.»
    « Uff! Bis nach San Marco!», maulte der Priester.« Als geistlicher Vater müsste ich viermal in der Woche bis dort hinübertraben!»
    « Na, nichts für ungut, dann mästen wir also diese beiden büßenden Magdalenen in San Geremia vom Unsrigen!»
    « Es ist besser so!», antwortete Don Gasparo.
    « Aber das Poem, darum möchte ich doch bitten. Du wirst es mir abends vortragen, und das wird mir guttun.»
    « Poem in vierundzwanzig Gesängen», brummte der andere, ein leckeres Stück Thunfisch verspeisend,« alle so köstlich wie dieser Thunfisch und mit Reimen, süßer als Zucker.»
    Auf diese Weise ging die Mahlzeit herum; im Anschluss daran ließ Seine Exzellenz es sich nicht nehmen, Morosina ihre neue Wohnstatt vorzuführen, und er wies sie auf deren Vorzüge hin, wie die separaten Eingänge aufs Wasser und nach der Straße hin, die Fenster auf den Canal Grande und die Zofen in Rufweite.«Und so», schloss er,« werden wir in Venedig sein, wenn wir in Venedig sein wollen, und gesetzt den Fall, du bist gerade in Asolo und kommst hier vorbei, so fühl dich frei wie der Gebirgswind. Adieu, mein schönes Patenkind!»Dann setzte er noch hinzu:«In einer Stunde schicke ich dir die Kammerzofen, mit deren Hilfe du dich aufs Schönste herausputzen wirst, denn heute Abend machen wir, wenn es dir beliebt, eine Ausfahrt, und später haben wir Gesellschaft hier im Haus. Auf Wiedersehen, mein Kind.»
    « Auf Wiedersehen, Herr Pate!», sagte Morosina.
    Doch als sie sah, dass der Alte beim Gehen Mühe hatte, lief sie hin, stützte ihn und geleitete ihn bis zum Salon, wo sie von Bernardo abgelöst wurde. Sie kehrte zurück in ihre Gemächer, froh, sich ein wenig mit sich selbst beratschlagen und die unerwarteten Ereignisse dieses halben Tages der Reihe nach alle noch einmal durchgehen zu können.
    Formiani begab sich mit dem Cappanera in sein Arbeitszimmer und schickte ihn dann zu den beiden Zofen mit dem Auftrag, sie sollten sich in einer Stunde bei ihrer Herrin einfinden. Sodann nahm er sich die Rolle mit Papieren vor, die er aus dem Senat 39 mitgebracht hatte. Beim Überfliegen nahm er eine ziemlich ernste Miene an, doch dann umspielte nach und nach doch wieder das

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