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Ein Engel an meiner Tafel - eine Autobiographie

Ein Engel an meiner Tafel - eine Autobiographie

Titel: Ein Engel an meiner Tafel - eine Autobiographie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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obwohl jeder so tat, als merke er es nicht; und ich ging fort mit meinem funkelnagelneuen Empfehlungsschreiben, für den Fall, dass ich mir in Christchurch Arbeit suchen wollte: «Stets höflich zu den Gästen, fleißig, eine Freude …», und einem winzigen schwarzen Kätzchen, das angeblich ein Männchen, doch in Wahrheit ein Weibchen war und das ich liebevoll Sigmund nannte, was ich später zu Sigmunde, genannt Siggy, abänderte; und wieder einmal fuhr ich mit dem Expresszug nach Norden, eine Eisenbahnperson, für immer an den Sauerampfer und die wilden Wicken und den «Rost auf den Eisenbahnschienen» gebunden, und bei der Einfahrt in Oamaru, vor den Parkanlagen, erhaschte ich, nach links blickend, einen Blick von Willowglen, das gerade seinen Sommerglanz anlegte.

12
Sommer in Willowglen
    Ich hatte noch nie einen ganzen Winter in Willowglen verbracht: Nur June und Bruddie und Mutter und Dad hatten das Unheil erdulden müssen, dass der Bach über die Ufer trat und die von den Kühen völlig zerstampfte Zufahrt (denn wie konnten wir einen Kuhstall und eineinhalb Hektar Land besitzen, ohne dass Kühe es mit uns teilten?) den Weg zum Tor unpassierbar machte; ich hatte nur Wochenenden dort verbracht, zusammengekauert unter Decken, einen heißen Stein als Wärmflasche umklammernd, im eiskalten vorderen Schlafzimmer, oder in Famerkleidung, Gummistiefeln und Dads Fischer-Regenmantel auf den Hügeln herumstreifend, um mich warm zu halten.
    Dad und Bruddie hatten hart gearbeitet, um das Haus instand zu setzen. Der Küchenboden bestand nicht mehr aus Erde. Das Dach war wasserdicht. Rohre (die im Winter einfroren) waren gelegt worden, die uns an die städtische Wasserversorgung anschlossen, und in der Spülküche war ein Boiler installiert. Wir hatten nun ein Telefon im Flur, einen Nebenanschluss mit einem langen, hornförmigen Hörer, und wenn das Telefon läutete, war es üblicherweise Mutter, die abnahm. Dad, sichtlich angstvoll, weigerte sich, während Mutter, ebenso furchtsam, sich auf den Schock gefasst machte, den die Nachricht verursachen würde, denn genau wie ein Telegramm wurde ein Telefon nur in dringenden Fällen benutzt und konnte Leben oder Tod bedeuten. Das Telefonbuchstand immer auf dem «Farnständer» – ein alter Familienbesitz wie andere Möbelstücke, die klein genug waren, um im Haus Platz zu finden, mit Namen, die von einer anderen Zeit sprachen: der «Farnständer» – auf dem nie ein Farn gestanden war; Großvaters Schachtisch mit seinen dunkel eingebrannten Abbildungen eines längst toten Königspaares; die
Chiffoniere

    Es war ein paradiesischer Sommer. Ich hatte meinen Platz zum Sitzen auf dem umgefallenen Birkenstamm am Bach, wo ich den Purpurhühnern, den Enten und Aalen zusah und durch die schützenden Trauerweiden hin zur eingezäunten Wiese blickte, wo jede Woche die Schafe und Rinder des Viehhändlers weideten, bevor sie die Straße hinauf nach Waiareka zur Versteigerung getrieben und dann mit dem Lastwagen zur Pukeuri-Gefrierfabrik gebracht wurden, die mir als
Abattoir
bekannt war, obwohl ich dieses Wort viele Jahre lang nur bis an die Schwelle meines Bewusstseins vordringen ließ, wo Wörter verweilen und kommen und gehen, ohne dass man ihre Bedeutung genau erforscht und ohne sie zum Eintritt in jenen blitzartig erleuchteten Raum der Erkenntnis aufzufordern. Manchmal, nutzloserweise, gelang es mir, ein Schaf aus dem Sumpf zu retten, und für diesen Dienst bezahlte mir der Viehhändler, ein großer Mann mit einem kantigen Gesicht, einer Hornbrille und einem Äußeren, das ich eher einem Cellisten oder Pianisten zugeordnet hätte, fünf Pfund.
    Aus der Deckung der Weidenbäume konnte ich, selbst unsichtbar, die Straße sehen und den Briefträger, der zu unserem Briefkasten radelte, dem letzten in der Straße vor den Bauernhöfen und ihren Wiesen und der Old Mill Road. Ich war gespannt, ob der Briefträger mir einen Brief bringen würde. Von woher? Von wem? Dad hatte einen Briefkasten in Form einesHauses gemacht, mit einem Schornstein und aufgemalten Türen und Fenstern, roten Wänden und einem grünen Dach mit Dachtraufe, und wenn der Briefträger vorbeigeradelt war, durchstöberte ich das Briefkastenhaus. Zu Weihnachten sandte mir John Forrest eine Karte. Ich hütete sie wie einen Schatz, versuchte das Ausmaß an Zuneigung herauszufinden, das sich in den Worten «Mit herzlichen Grüßen» ausdrückte. War es weniger oder mehr als «Mit freundlichen Grüßen»? Mit meinem destruktiven

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