Ein Engel an meiner Tafel - eine Autobiographie
über John Forrests Freud-intensives Gesicht huschte: Hier handelte es sich um den Paradefall einer Schizophrenen.
Ich befürchtete weiterhin, ich könnte wieder ohne jemanden dastehen, mit dem ich reden konnte, das heißt, in einem «normalen» Stadium kurz vor einem psychischen Zusammenbruch stehen, denn ich befand mich auf dem bei Heranwachsenden üblichen Weg von Angst und Unruhe und fragte mich, wie ich mit dem täglichen Leben «fertig werden» sollte; doch um meine Angst einzudämmen, sah ich mich merkwürdigerweise dazu gezwungen, einen eindeutiger beschilderten Weg zu beschreiten, auf dem meine Reise mehr Aufmerksamkeit und, wie ich herausfand, auch mehr praktische Hilfe auf sich zog. Ich glaube nicht, dass mir der Gedanke kam, die Menschen könnten auch willens sein, mir zu helfen, wenn ich weiterhin mein gewöhnliches, schüchternes, lächelndes Ich aufrechterhielt. Mein bisheriges Leben hattemich gelehrt, Leistungen zu erbringen, Anerkennung zu finden, indem ich Prüfungsfragen beantwortete, schwierige Aufgaben löste und «Intelligenz» und «Andersartigkeit» aufblitzen ließ. Für gewöhnlich schämte ich mich meiner Kleidung. Ich war ratlos wegen meiner krausen Haare und der Aufmerksamkeit, die sie auf sich zogen, und wegen der Dringlichkeit, mit der die Leute mir rieten, es doch «glätten» zu lassen, so als stelle es eine Bedrohung dar. Ich drückte mich nicht gewandt aus, war weder geistreich noch besonders intelligent. Ich war ein gewöhnlicher graugefiederter Vogel, der sein Leben damit zubrachte, ein oder zwei rote Federn vor der Welt zur Schau zu stellen, und dabei die Federn der jeweiligen Lebensphase anpasste. In meiner Kindheit hatte ich mich mit Zahlenrätseln und mathematischen Lösungen hervorgetan, hatte lange Vers- und Prosastellen auswendig gelernt; und jetzt, um dem Anlass
gerecht
zu werden, trug ich das Maskenkostüm meiner Schizophrenie.
Im Lauf des Jahres 1946, nach dem Ende meiner «Bewährungsfrist», wurde ich für geistig gesund erklärt; es gab mir einen Stich der Enttäuschung, aber nur ganz leicht, denn ich hatte eine Sammlung von Kurzgeschichten und Gedichten geschrieben, die John Forrest Denis Glover von der Caxton Press gezeigt hatte, der daran interessiert war, erst einen Kurzgeschichtenband zu veröffentlichen und später vielleicht die Gedichte. Ich hatte das Gefühl, meine Schriftstellerkarriere begonnen zu haben.
Dann, gegen Jahresende, eröffnete mir John Forrest, er habe sich um eine Stelle als Psychologe in den USA beworben und hoffe, dort seinen Doktor zu erwerben. Er würde Neuseeland Anfang 1947 verlassen. Er schlug vor, falls ich jemanden zum Reden brauche, könne er mir seine Bekannte inChristchurch, Mrs R., empfehlen, mit der er über mich gesprochen habe, wie er sagte, und er setzte hinzu, dass sie künstlerisch veranlagt und daher an meinem «Fall» interessiert sei.
«Ich werde mir einen Job in Christchurch suchen und vielleicht einen Kurs an der Canterbury University belegen», sagte ich, sehr ruhig, als ich sah, wie meine geschützte schizophrene Welt der «kleinen Unterhaltungen» auseinanderzufallen begann und dass ich allein in einer fremden Stadt zurückbleiben würde. Ich fragte mich, wie ich je hatte denken können, dass ich nach Dunedin gehörte oder wie ich jemals nach Christchurch gehören könnte. Die Caxton Press war in Christchurch, und das Buch, das sie irgendwann herausbringen wollten – vielleicht würde das Buch wie ein Verwandter sein, der in der Nähe wohnte, und ich würde nicht einsam sein?
Ich fragte mich, wohin ich gehen sollte. Ich wusste, ich konnte nicht länger als ein oder zwei Monate zu Hause sein, ohne von meiner Verzweiflung über den ständigen Kampf aller dort – um Geld oder Liebe oder Macht oder ein Meer von Frieden – überwältigt zu werden. Es gab immer ein Hotel oder eine Pension, wo ich Arbeit, Kost und Logis finden konnte, doch warum musste 1946 zu Ende gehen?
Ich stand auf der Klippe und versuchte, die Flügel von 1946 zu fassen zu bekommen, die auf die salzverkrustete Erde und auf das Gras schlugen, um sich auf ihren Flug vorwärts ins Gestern vorzubereiten. In der Realität verabschiedete ich mich von allen in der Playfair Street, Caversham – von den vier alten Damen und den Pensionsgästen mit ihren heimlichen Misserfolgen und Schamgefühlen und kleinen, miteinander geteilten Glücksmomenten, und von meinem Wirt undmeiner Wirtin und ihrem kleinen vierjährigen Kind, das noch immer nicht sprach,
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