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Ein Engel an meiner Tafel - eine Autobiographie

Ein Engel an meiner Tafel - eine Autobiographie

Titel: Ein Engel an meiner Tafel - eine Autobiographie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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in seinem Zimmer mit den vielen Büchern den Umschlag öffnete, die Blätter herausnahm, sie entfaltete, las und dachte: «Endlich! Hier ist eine neue Erzählerin. Das ist wirklich
Für uns selbst gesprochen
. Was für eine Sensibilität! Was für subtile Andeutungen, niemals unverblümte Feststellungen. Die Anspielung auf den Ginster ist gut – diese beiläufige Bemerkung der Krankenschwester, als das Auto die
Kilmog-
Strecke verlässt … Was für Erfahrungen diese Frau gemacht haben muss (was für tragische Erfahrungen!), dass sie so schreibt. Eine geborene Schriftstellerin.»
    Aber – angenommen, er hielt die Arbeit nicht für gut? Vielleicht würde er, wie in einem Schulzeugnis, feststellen: «Könnte besser sein. Entspricht nicht den Anforderungen.»
    Ich hatte keine Kopie von meiner Erzählung gemacht und konnte sie nicht noch einmal lesen. Was hatte ich getan?
    Noch vor dem Wochenende erhielt ich im Grand Hotel einen langen, dicken Umschlag, der meine Erzählung und die beiden Gedichte enthielt. Mr Brasch merkte an, die Arbeit sei interessant, jedoch seien die Gedichte nicht ganz geeignet, wohingegen die Erzählung «Ginster und Menschen sind zweierlei» «zu schmerzlich für eine Veröffentlichung» sei.
    Als ich den Brief auf dem offiziellen Briefpapier von
Landfall
gelesen hatte, wurde mir allmählich klar, wie viel Hoffnung ich in meine Beiträge für
Landfall
und ihre Annahme zur Veröffentlichung gesetzt hatte. Ich schien mein ganzes Leben und meine ganze Zukunft mit in diesen Umschlag gesteckt zu haben. Ich spürte, wie ich in bodenlose Verzweiflung versank. Was blieb mir denn, wenn ich nicht schreiben konnte? Das Schreiben sollte doch meine Rettung sein. Ich hatte das Gefühl, als lösten sich meine Hände vom Rand des Rettungsbootes, an den sie sich geklammert hatten. Mein Kummer wurde jedoch dadurch gelindert, dass zumindest der
Listener
meine Gedichte und Erzählungen abgedruckt hatte. Ich vernichtete meine Erzählung und die beiden Gedichte. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass ich während meiner Jahre in der Anstalt, als ich mich an mein Exemplar von Shakespeares Dramen geklammert, es unter Strohmatratzen versteckt und es mir, nachdem es mir weggenommen worden war, durch Listzurückerobert hatte, aber gar nicht oft darin las, nur die hauchdünnen Seiten umblätterte, die mir irgendwie die Bedeutung der Wörter vermittelten – dass ich damals den Geist des
Sturms
in mich aufgenommen hatte. Selbst Prospero in seiner Zelle voller Bücher hatte echten Schiffbruch und den Schiffbruch seines Ichs erlitten; seine Insel war unerreichbar, außer durch den Sturm hindurch.
    In diesem Jahr wurde ich offiziell für «geistig gesund» erklärt, und in einem Ausbruch von Freiheit, der auf die Wiedergewinnung meiner geistigen Gesundheit folgte, nahm ich die Einladung an, bei meiner Schwester und ihrem Mann in Northcote, Auckland, zu wohnen. Ich verließ das Grand Hotel («stets freundlich zu den Gästen») und fuhr zurück nach Willowglen, um mich auf meine Reise nach Auckland vorzubereiten.

18
Das Foto und die Heizdecke
    Bisher mutete mein Erwachsenenleben an wie eine Reihe von Reisen, ein Tanz nach Norden und Süden, hin und zurück quer durch das Land. Warum ging ich nun von Dunedin weg?
    Amtliche Gesichtspunkte spielten eine Rolle: Ich war nun offiziell, vor dem Gesetz, eine Staatsbürgerin, durfte wählen und ein Testament verfassen. Auch hatte ich beschlossen, dass Kellnern nicht das Richtige für mich war. Oben im Norden (jenem magischen «oben im Norden») würde ich bestimmt ausschließlich als Zimmermädchen arbeiten können, und dabei konnte ich Zeit mit mir selbst verbringen, allein mit meinen Gedanken, mich von einem Zimmer zum anderen bewegen, die Betten machen, abstauben, polieren, ohne den täglichen Streit mit den Köchinnen in der Küche. Auch hatte ich trotz immer wiederkehrender Hoffnungen das Gefühl, dass mein vergeblicher Versuch, in
Landfall
abgedruckt zu werden, eine klare Einschätzung meines Schreibens von mir verlangte, damit ich herausfinden konnte, ob mein Ehrgeiz nicht bloß ein Ausdruck «grandioser Fantasien» war. Bis Dr. Blake Palmer Interesse an meinem Schreiben gezeigt hatte, war man allgemein der Ansicht gewesen, es sei «das Letzte», was ich machen sollte, ich solle «hinausgehen und mich unter die Leute mischen und das Schreiben vergessen». Die Zweifel stiegen leicht auf, und weil ich nicht darüber nachdenken wollte, plante ich meine Reise nach Auckland.
    Ich

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