Ein Engel an meiner Tafel - eine Autobiographie
hinterlegen.»
«Ja», sagte ich und lächelte schüchtern.
Am Abend erzählte ich Pat und Doreen, dass ich am Donnerstag zum Tee im Haus eines Dichters eingeladen sei.
«Er ist einer unserer besten Dichter», sagte ich.
«Was ziehst du an?», fragten sie.
Ich sparte Geld für einen grünen Mantel, den ich im Schaufenster von Mademoiselle Modes gesehen hatte, aber ich hatte die zehn Pfund noch nicht beisammen.
«Ich habe keinen Mantel», sagte ich.
«Zieh deine Jacke und den Rock an. Und etwas, damit dein Hals nicht so nackt aussieht. Glasperlen? Echte Perlen wären besser. Du brauchst Perlen.»
«Wo soll ich denn Perlen herbekommen?»
«Ist der Dichter reich?», fragten sie.
«Angeblich.»
«Dann brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Aber trag einen Büstenhalter.»
Am nächsten Tag ging ich zum Modecenter am Moray Place, wo eine grobschlächtige Frau in Schwarz mit einem schwarzen Samtband um den Hals und Ohrringen wie Tante Isy mich in die Ankleidekabine komplimentierte.
«Möchten Sie ein tiefes Dekolleté oder Spitzenkörbchen?»
Die Aufmerksamkeit der anderen und ihr Interesse an der Einladung zum Nachmittagstee waren mir peinlich. Bald wussten alle, dass ich hinging. Sogar der Fahrstuhlwärter erwähnte es. Auch er war einer der traurigen Außenseiter, dem ein Arbeits- und Wohnort wie ein Hotel Schutz bot und der im Umfeld des Hotels stark und selbstbewusst erschien, dem jedoch, wenn man ihm auf der Straße begegnete, seine Zerbrechlichkeit und Andersartigkeit ins Gesicht geschrieben standen.
Der Donnerstag kam, es sah nach Regen aus.
«Vielleicht schenkt er dir einen Mantel», sagte jemand, «wenn er erfährt, dass du keinen hast.»
Ich ging den Hügel hinauf in Richtung Royal Terrace. Ich war viel zu früh dran. Ich schlenderte umher, blickte hinaus über den Hafen und die Halbinsel und hielt Ausschau nach den bekannten Gebäuden der Universität, nach dem Museum, das durch die Bäume hindurch nur undeutlich zu erkennen war, der Lehrerbildungsanstalt und, kaum sichtbar am Fuß der Union Street, der Pädagogischen Hochschule. Ich blickte in die Richtung des Sportgeländes mit seinen Pfützen und Möwen, und ich dachte an die Garden Terrace Nummer 4 und an Tante Isy, die nicht mehr dort wohnte. Endlich getrennt von den Schokoladentrophäen ihrer Tanzkunst, hatte sie sich dem Ursprung ihres Könnens zugewandt, ihrem früheren Tanzlehrer, und ihn nach kurzer Werbezeit geheiratet; ich hatte sie mit ihm gesehen, beide lachend und glücklich, als sie mit dem Expresszug «durchfuhren», auf dem Weg nach Mangakino, wo sie in einem Haus ohne Bäume im Garten wohnen würden.
Ich blickte in Richtung Caversham. Ich dachte an das Haus in der Playfair Street; der Blick darauf war verstellt durch diedüsteren Umrisse des Parkside-Altersheims. Und ich dachte an den Footballplatz in Carisbrook und an Peng McKenzie, wie er die Mannschaften auf der «Eisenbahnseite» oder der «Cargill-Road-Seite» ankündigte und –
Peng
, Tor!
Schließlich brachte ich den Mut auf, an die Tür in der Royal Terrace zu klopfen. Mr Brasch begrüßte mich und führte mich in ein großes Zimmer mit vielen Büchern an den Wänden, wo er Tee und Gewürzkuchen servierte, während eine weiße Katze namens Whizz-Bang zusah. Ich erzählte Mr Brasch, dass meine Mutter für die alte Mrs Beauchamp, Katherine Mansfields Großmutter, gearbeitet hatte, und für «den alten Mr Fels», seinen eigenen Großvater.
«Sie kann sich noch an Sie und Ihre Schwester erinnern.»
Mr Brasch blickte streng. Ich hatte das Gefühl, dass er etwas gegen persönliche Erinnerungen und Bezugnahmen hatte, aber worüber sollte ich sonst reden? Ich wusste so wenig. Er begann über die neuseeländische Literatur zu sprechen. Ich blieb stumm. Ich dachte: Er weiß sicher, wo ich während der letzten acht Jahre gewesen bin. Plötzlich war ich den Tränen nahe. Ich war ungeschickt, und auf meinem Teller und dem weißen Teppich zu meinen Füßen lagen Gewürzkuchenkrümel. Dann fiel mir die Einleitung von
Für uns selbst gesprochen
ein, und ich äußerte murmelnd ein paar Ansichten über die Erzählungen und zitierte dabei direkt aus dem Text.
«Das finde ich auch», sagte Mr Brasch.
Unser Gespräch erstarb. Mr Brasch schenkte Tee aus einer schönen Kanne mit einem Peddigrohrhenkel nach.
«Ich mag diese Teekanne sehr», sagte er, als er meinen Blick bemerkte.
«Ich glaube, ich muss jetzt gehen», sagte ich.
«Vergessen Sie nicht, wenn Sie irgendwelche
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