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Ein Engel an meiner Tafel - eine Autobiographie

Ein Engel an meiner Tafel - eine Autobiographie

Titel: Ein Engel an meiner Tafel - eine Autobiographie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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mit einer zweiten kleinen Tür, die auf ein Betonquadrat hinausging, ohne Anzeichen eines echten Gartens, denn der Name war ihm nur in einem Anfall von Wunschdenken gegeben worden. Ich war völlig allein in der Straße mit den Fabriken, wo die Maschinen Tag und Nacht geräuschvoll arbeiteten, ohne von Menschen bedient zu werden. Ich dachte an Jess Whitworths Schilderung, wie sie eine Großstadt «in Angriff nahm», wie sie zuerst ihre Bleibe fand, dann ihr Gepäck dort ließ und sich aufmachte, um sich «zu orientieren», sich die Namen und Straßen und die verschiedenen Geschäfte merkte, wo sie ihre Lebensmittel einkaufen würde, und wie sie dann nach ihren ersten Erkundigungen nach Hause zurückkehrte, damit sie wieder «auf Touren» kam, um sich weiter vorzuwagen. Ich versuchte mir vorzustellen, wie ich kilometerweit ging, ohne die geringste Spur von Menschen oder Geschäften zu sehen, und wie ich dann wiederdurch die enge Gasse zu meinem «Gartenzimmer» zurückkehrte. Während der Wochen vor meiner Reise wimmelte es in meinem Kopf von so vielen unheildrohenden Bildern aus der nördlichen Hemisphäre, dass ich mich rückblickend frage, ob ich wirklich so klar im Kopf war, wie ich glaubte, und ich kann es mir teilweise erklären, wenn ich daran denke, dass ich wieder einmal von Menschen umgeben war, die meine Zukunft planten.
    Schon wieder spielte ich die gehorsame, passive Rolle, die mir in der Anstalt aufgezwungen worden war und die sich meine schüchterne Natur mühelos zu Eigen gemacht hatte: Bestenfalls ist es die Rolle der Bienenkönigin, umringt von ihren Dienern; schlimmstenfalls ist es die des Opfers ohne Macht oder Besitz; und in beiden Fällen gehört man sich nicht selbst, denn alle haben Anteil an der geplanten Zukunft.
    Mein Reisepass traf ein. Ich hatte meine Fahrkarte (mit garantierter Rückreise, dank dem anonymen Spender der fünfzig Pfund für Kleidung), und ich hatte meinen Bettplatz für den Nachtexpress nach Wellington gebucht.
    Dann wurde ich krank, sehr krank aufgrund der Wirkung der Pockenimpfung. Ich hatte das Gefühl zu sterben. Ich lag halb bewusstlos in der Baracke, während Frank mich löffelweise mit
Farex
-Kinderbrei fütterte, mit Milch angerührt, eine Nahrung, wie sie Babys und Kätzchen gegeben wird, die früh von ihrer Mutter getrennt werden. Und gerade als ich mich von der Impfung erholte, bekam ich die Grippe, genannt die «1918-Grippe», die in jenem Jahr in Auckland grassierte. Ich erholte mich nur langsam, da mir nun vor der Aussicht graute, auch nur irgendwohin zu reisen. Frank, gütig und geduldig wie immer, versuchte mich aufzuheitern, wie man einkrankes Kind aufheitert, brachte Dinge, die mich ablenken und mir Freude bereiten sollten – eine Glaskugel mit einem Schneesturm in ihrem Inneren, eine japanische Papierblume, die sich im Wasser öffnete. Er hängte ein chinesisches Windglockenspiel in die offene Tür der Hütte, wo die Glöckchen bimmelten, während ein Lüftchen durchs Fenster und hinaus in den Garten zum Papayabaum wehte.
    Weder Frank noch ich konnten unsere gedrückte Stimmung verbergen, so als sei das Ende eines Jahrhunderts gekommen oder der Untergang einer Spezies, die Millionen Jahre überdauert hatte; das Zeitgefühl war übertrieben, so als wäre die Zeit ein Lebewesen, das seiner Muschel beraubt ist und zittert, wenn man es berührt oder auch nur flüchtig anblickt; sie war wie die Seidenraupe, herausgeschält aus ihrer Fülle von Seide.
    Unsere Freunde Karl und Kay hatten Auckland verlassen. Wir vermissten sie sehr und warteten gespannt auf ihre Briefe aus Armidale. Maurice Duggan war mutlos und arbeitete nicht. Eines Tages nahm mich Frank zu einem Besuch bei Maurice und Barbara und dem Zimtapfelbaum mit, und wir saßen in einem großen, luftigen Zimmer und hörten uns Victoria Los Angeles an; und Exemplare der
Paris Review
lagen auf einem kleinen Tisch. Die
Paris Review
. Ich sah Barbara und Maurice an (der von Frank «der leidende Romantiker» genannt wurde) und dachte mir, wie klug und literarisch gebildet sie waren und dass ihre subtilen Farben den Zeichenlehrer in der Pädagogischen Hochschule begeistert hätten. Ich war noch immer über Gebühr ausgestattet mit der Fähigkeit, mit offenem Mund zu staunen, mich über alles und jeden und über die Welt zu wundern.
    Ein paar Kleinigkeiten blieben noch zu erledigen: AlbionWright von der Pegasus Press gefiel mein Titel
Gerede von Schätzen
nicht, er legte mir nahe, einen anderen zu wählen. Mir

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