Ein Engel fuer Emily
sie mir gehören?«, wollte sie wissen.
»Sie gehören zu Ihrem rechtmäßigen Erbe.«
»Ich soll Captain Madisons Erbin sein?« Ihre Verwirrung wuchs von Minute zu Minute. Aber in den letzten Tagen hatte sie so viel erlebt und mit so vielen Menschen und körperlosen Wesen zu tun gehabt, dass in ihrem Kopf alles drunter und drüber ging. Wenn der Captain, ein längst Verstorbener, ihr den Schmuck geschenkt hatte, konnte man dann sagen, sie hätte ihn geerbt?
»Du solltest die wegen Dummheit erschießen«, sagte die Frau und kehrte Emily den Rücken zu.
»Wie lautet der Mädchenname Ihrer Mutter?«, fragte David. »Wilcox.«
»Und der Ihrer Großmutter mütterlicherseits?«
»Ich ... das weiß ich nicht mehr.«
»Wie wär’s mit Simmons?«
»Ah, ja. Ich glaube, das stimmt.«
»Und wie hieß Captain Madisons Frau?«
»Rachel...«, Emily sah verblüfft auf. »Rachel Simmons«, flüsterte sie. Emilys Gedanken rasten. »Sie meinen, ich bin mit Captain Madison irgendwie verwandt?«
»Haben Sie jemals ein Bild von seiner Frau gesehen?«
»Nein. Sie hat nach dem Tod ihres Mannes alle Bilder von sich vernichtet.«
»Nicht alle. Meine Familie besitzt einige Gemälde und Fotos von ihr.« David zog ein Foto aus seiner Tasche und hielt es Emily hin.
»Aber sie ...»
»Sie sieht Ihnen verblüffend ähnlich. Sehen Sie den Schmuck, den sie trägt?«
»Ja.« Emily erkannte die Rubine, aber sie verstand die Zusammenhänge immer noch nicht. »Wer sind Sie?«
Er wusste, was sie meinte. »Meine Urgroßmutter war die Schwester von Rachel Simmons. Aber Sie waren die Urenkelin von Rachel Simmons.«
Ich war, dachte sie - er hält mich bereits für tot. »Das ... das wusste ich nicht. Auf den Gedanken wäre ich niemals gekommen. Ich wusste nicht einmal, dass sie eine Tochter hatte. Es gibt keine Dokumente oder Unterlagen darüber. Was hat sie in den Wahnsinn getrieben? Auch darüber gibt es keine Aufzeichnungen.«
»Sie hätten das noch herausgefunden. Es ist ein wohlgehütetes Geheimnis in meiner Familie. Die junge Rachel Simmons war schwanger von ihrem Liebhaber, der sie sitzen ließ, und wurde zu einer Tante verfrachtet, bei der sie ihre Tochter zur Welt brachte. Später verheiratete ihr Vater sie mit dem Captain. Kein anderer Mann in der Umgegend hätte sie nach ihren Eskapaden noch gewollt. Wussten Sie, dass der Captain zwei Männer, die abfällige Bemerkungen über seine Frau gemacht haben, im Duell getötet hat?«
»Der Captain hat auch ihren Liebhaber umgebracht«, sagte Emily.
»Nein«, widersprach David. »Rachel hat ihn ermordet. Sie liebte ihn von ganzem Herzen, die dumme Person, aber er ließ sie im Stich, als er erfuhr, dass sie schwanger war und deswegen möglicherweise enterbt werden würde. Er ging ins Ausland. Jahre später kam er zurück und sah, dass seine ehemalige Geliebte in einem stattlichen Haus lebte und wertvollen Schmuck trug. Er umwarb sie insgeheim von neuem. Der Captain wusste davon, aber er liebte seine Frau so sehr, dass er ihr freie Hand ließ. Der Captain hätte ihren Liebhaber sogar in sein Haus aufgenommen, wenn sie ihn darum gebeten hätte. Aber als Rachel dahinterkam, dass ihr Geliebter nur auf ihre Juwelen aus war, nahm sie eine von Captain Madisons Duellpistolen und schoss dem Schurken mitten ins Herz.«
»Nachdem sie auf die Geschlechtsteile gezielt hatte.«
»O ja, dieses grausige Detail war mir entfallen. Das habe ich offenbar verdrängt.«
»Und der Captain hat alle Schuld auf sich genommen«, sagte Emily verwundert.
»Ja. Er hat seinen getreuen Diener dazu überredet, bei der Gerichtsverhandlung gegen ihn auszusagen. Der Captain wurde anstelle seiner Frau gehängt. Der Diener konnte nicht mit der Schuld leben und brachte sich um, Rachel wurde wahnsinnig.«
»Und Rachels Tochter wurde von einer Familie in Iowa großgezogen«, ergänzte Emily.
»Richtig. Und später heiratete sie und brachte Ihre Großmutter zur Welt.«
»Dem allen entnehme ich, dass der Captain seiner Frau seinen ganzen Besitz vermacht hat, und sie hat alles ihrer Tochter vererbt«, sagte Emily.
»Exakt.« David warf seiner Schwester einen Blick zu. »Ich habe dir gesagt, dass sie ein kluges Mädchen ist.«
»Davon wusste ich nichts. Ich ...«
»Aber Sie haben Nachforschungen angestellt und Ihre Nase in Dinge gesteckt, die Sie nichts angehen. Früher oder später hätten Sie das Geheimnis gelüftet. Schade, dass Sie nicht so begriffsstutzig und schwerfällig sind wie dieser Donald - dann hätten Sie
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