Ein Engel fuer Emily
warten, weil sie noch im Bett liege und nicht angezogen sei. Aber sie ließen ihr keine Zeit.
Drei Männer rissen die Tür auf, die sie in der Nacht zuvor ganz bestimmt abgeschlossen hatte, starrten sie einen Moment an und begannen dann, das Zimmer zu durchsuchen. »Warten Sie«, protestierte Emily. »Haben Sie einen Durchsuchungsbefehl?«
»Nein, Ma’am«, sagte einer der Männer und zückte seine Dienstmarke, steckte sie aber so schnell wieder in die Tasche, dass Emily kaum einen Blick darauf werfen konnte. »Wir sind zu Ihrem Schutz hier. Man hat uns gemeldet, dass Sie jemand als Geisel genommen hat und gegen Ihren Willen festhält.«
Emily zog die Decke bis unters Kinn. »Wenn es so wäre, wäre ich jetzt, nachdem Sie das Zimmer gestürmt haben, tot, oder nicht?«, gab sie ärgerlich zurück. Sie zitterte am ganzen Leibe und versuchte nur, ihre Angst zu kaschieren. Wieso hatte sie plötzlich mit dem FBI zu tun? Sie stieß einen Protestschrei aus, als einer der Männer mit der Hand über der Bettdecke ihren Körper abtastete, um zu überprüfen, ob sich ein Mann in ihrem Bett versteckte. »Lassen Sie die Finger von mir!« Sie holte tief Luft und sah den ersten Mann an. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir zu sagen, was das alles soll?«
Der Mann zeigte ihr ein Foto von Michael - dasselbe, das im Fernehen veröffentlicht wurde. »Haben Sie diesen Mann schon einmal gesehen?«
Emily hatte keine Ahnung, welche Informationen die drei Männer hatten, deshalb beschloss sie, so ehrlich wie möglich zu sein. Immerhin konnte Donald ihnen alles erzählt haben, was er von ihr erfahren hatte. »Ja, ich habe ihn gestern in der Stadt gesehen, in der ich übernachtet habe.«
»Haben Sie den Tag mit ihm verbracht?«
»Was für eine absurde Frage! Wieso sollte ich einen Tag mit einem fremden Mann verbringen?« Die drei standen an ihrem Bett, sahen sie unverwandt an und warteten. »Also schön, ja. Ich habe ihn am Freitagabend mit meinem Wagen angefahren und danach zum Arzt gebracht, am nächsten Tag waren wir einige Zeit zusammen. Er erschien mir vollkommen harmlos, und ich fühlte mich ihm irgendwie verpflichtet, weil ich ihn bei dem Unfall auch hätte töten können.«
»Was war gestern Abend?«
»Ich habe sein Foto im Fernsehen gesehen und meinen Verlobten Donald Stewart angerufen.« Sie musterte die Männer verstohlen, um zu sehen, ob ihnen Donalds Name etwas sagte, aber die drei zuckten nicht einmal mit der Wimper. »Donald hat mir geraten, zur Polizei zu gehen und die Stadt sofort zu verlassen.«
»Und waren Sie bei der Polizei?«
Hielten die sie für blöd? Das hatten die doch hundertprozentig überprüft. Emily schaute auf ihre Hände und bemühte sich, rot im Gesicht zu werden. »Ehrlich gesagt, nein. Ich hörte ein Klopfen an der Tür, bekam Angst und kletterte aus dem Fenster. Sie hielt eine Hand hoch und zeigte ihnen die Kratzer. Seitlich des Gasthofs steht ein Dornbusch, ich habe sogar meinen Koffer im Zimmer stehen lassen, weil ich ihn nicht hinunterwerfen konnte. Ich weiß, das alles war dumm von mir, aber nach allem, was Donald gesagt hat, hatte ich solche Angst, dass ich nur noch weg wollte.«
Emily hielt den Atem an und fragte sich, ob ihr die Männer diese Geschichte abkauften.
»Ihre Aussage bestätigt das, was wir bereits wissen, Miss Todd«, erklärte der erste Mann - er schien der einzige zu sein, der Stimmbänder hatte. »Wir sind überzeugt, dass dieser Michael Chamberlain längst über alle Berge ist, aber sollte er noch einmal Kontakt zu Ihnen aufnehmen, bleiben Sie so vernünftig wie bisher und rufen Sie uns an.« Er drückte ihr eine Visitenkarte in die Hand. »Unter dieser Nummer erreichen Sie Tag und Nacht jemanden, der Ihnen zu Hilfe kommt. Guten Tag«, schloss er, und sie verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren.
Sobald sie allein war, ließ sich Emily auf das Kissen zurücksinken. Erst jetzt merkte sie, dass sie zitterte wie Espenlaub. Das FBI! Sie hatten ihr Fragen gestellt! Ihr. Die praktisch veranlagte, langweilige, vernünftige Emily Jane Todd war vom FBI verhört worden. Und das alles wegen eines Mannes, der behauptete, ein Engel und auf der Suche nach dem Unheil zu sein.
Emily richtete sich abrupt auf. »Das alte Madison-Haus«, sagte sie laut, und mit einem Mal schienen etliche Puzzleteilchen an ihren Platz zu fallen. Wenn es je einen Ort auf Erden gab, an dem sich Böses zusammenbraute, dann in diesem schrecklichen alten Haus. Und natürlich hatte es etwas mit ihr
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