Ein Engel fuer Emily
zu tun, weil sie seit Jahren Recherchen über dieses Haus anstellte. Sie hatte Informationen in einem dicken Ordner gesammelt. Kein Mensch wusste viel über das Madison-Haus, aber sie hatte alles zusammengetragen und schriftlich festgehalten.
Sie schlug die Decke zurück, und kaum hatte sie einen Fuß auf den Boden gestellt, flog die Tür auf, und Michael stürmte herein. »Emily, ist alles in Ordnung mit Ihnen? Sie haben Ihnen doch nichts getan, oder?«
Er legte ihr die Hände auf die Schultern und betrachtete ihren halb nackten Körper, als wäre sie in Lebensgefahr.
»Wieso sind Sie noch hier? Die Männer könnten jeden Augenblick zurückkommen. Vielleicht beobachten sie dieses Zimmer.« Sie sah ihn finster an.
Michael grinste. »Sie haben sich Sorgen um mich gemacht, stimmt’s? Oder weshalb haben Sie den Männern nicht gesagt, dass ich mich draußen im Gebüsch verstecke? Sie wären mich für immer los gewesen.«
»Was immer Sie auch sein mögen, ich glaube nicht, dass Sie ein Mörder sind. Genauso wenig wie ein Engel«, fügte sie hinzu, ehe er das Wort ergreifen konnte.
»Ah, das sagen Sie nur, weil ihr Sterblichen seltsame Vorstellungen davon habt, wie Engel sein sollten. Würden Sie jetzt bitte aufstehen, damit wir uns etwas zu essen besorgen können? Dieser Körper ist schon ganz schwach vor Hunger. Das ist wirklich eine Plage. Wie oft muss man ihm Nahrung zuführen?«
»Einmal im Monat«, antwortete Emily mit einem zuckersüßen Lächeln. »Und alle zwei Wochen braucht er etwas zu trinken.«
Lachend rief er: »Auf! Ziehen Sie sich an.« Dann trat er ein paar Schritte zurück und betrachtete sie. »Es ist eigenartig, einen menschlichen Körper durch die Augen eines Sterblichen zu sehen. Gewöhnlich sehe ich nur die Seelen, aber es ist sehr interessant, Sie so wahrzunehmen.«
Emily riss die Decke an sich. »Gehen Sie und warten Sie draußen auf mich. Passen Sie auf, dass Sie von niemandem gesehen werden.«
»Mein Wunsch ist Ihr Befehl«, sagte er und runzelte verwirrt die Stirn.
Emily musste lachen. »Jetzt aber raus hier«, sagte sie und warf ihm ein Kissen nach.
Kapitel 6
Nein, nein, nein und noch mal nein«, sagte Emily. Sie saß mit Michael in einer Nische einer Lastwagenfahrerkneipe und aß Blaubeerpfannkuchen. Zumindest versuchte sie, ihren Anteil davon zu erwischen, denn Michael futterte nicht nur seine Portion auf, sondern auch die Hälfte von ihrer. Er behauptete, er müsse herausfinden, ob Erdbeer- oder Blaubeerpfannkuchen besser seien.
Obwohl kein Mensch sie zu beachten schien und die Hälfte der Männer aussahen, als würden sie auch auf der Fahndungsliste des FBI stehen, senkte sie die Stimme: »Ich nehme Sie nicht mit zu mir nach Hause. Ich verstecke Sie nirgendwo. Und ich fahre Sie nicht zum alten Madison-Haus, damit Sie dort herumschnüffeln können. Das Haus ist baufällig, und es besteht akute Einsturzgefahr. Außerdem spukt es dort.«
»Es spukt? Was ist das?«
»Gespenster. Finger weg! Das ist mein Pfannkuchen, Ihre sind auf Ihrem Teller. Hören Sie, es ist nicht anständig, vom Teller eines Anderen zu essen. So was tun nur Menschen, die sich lieben.«
Er war gekränkt. »Aber Emily, ich liebe Sie seit Tausenden von Jahren. Ich liebe alle Menschen, die in meiner Obhut stehen. Na ja, vielleicht liebe ich die einen mehr, die anderen weniger, aber ich gebe mir die größte Mühe.«
»Wir sind keine Liebenden. Wir sind nicht ineinander verliebt'«, beharrte sie.
»Ah, ich verstehe. Es geht um Sex. Sind wir wieder einmal beim Thema.«
»Das sind wir nicht - wir haben noch nie darüber geredet. Versuchen Sie das nicht mit mir.«
»Was?«, fragte er unschuldig.
Sie kniff die Augen leicht zusammen und sah ihn an, bis er grinste.
»Schön, kommen wir zum Wesentlichen zurück. Emily, meine Liebe, ich muss dieses Haus sehen. Wenn das, was Sie sagen, zutrifft, dann bin ich vielleicht deswegen hierher geschickt worden.«
»Was wollen Sie tun? Eine Séance veranstalten?«
Sie sah seinem Gesicht an, dass er keine Ahnung hatte, was das war. »Dabei sitzen die Leute rund um einen Tisch; gewöhnlich ist ein Medium dabei, das Verbindung zu Geistern aufnehmen kann. Sie rufen einen der Geister und stellen ihm Fragen ...« Sie hielt inne, weil sie merkte, dass er Mühe hatte, sich das Lachen zu verbeißen.
»Was habe ich gesagt? Worüber amüsieren Sie sich so sehr?«, fauchte sie. »Wenn Sie nur noch einen Bissen von meinem Pfannkuchen nehmen, haben Sie eine Hand weniger.« Sie hielt
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