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Ein Engel im Winter

Ein Engel im Winter

Titel: Ein Engel im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Musso
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möglich?«
    Sebastian war nicht nur ein begabter Geigenbauer, sondern auch ein anerkannter Sachverständiger.
    Er verzog resigniert das Gesicht. Dieser Verkauf war der wichtigste dieses Jahres. Undenkbar, darauf zu verzichten.
    »Ich muss noch meine Recherchen abschließen und meinen Bericht verfassen, aber wenn ich gleich anfange, werden sie ihn bis zum Abend bekommen.«
    »Gut. Ich gebe das so weiter.«
    Sebastian begab sich in den großen Empfangsraum, dessen Wände mit purpurrotem Samt ausgeschlagen waren. Rund fünfzig Geigen und Bratschen, die von der Decke hingen, verliehen ihm seine Besonderheit. Da er über eine ausgezeichnete Akustik verfügte, waren hier bereits herausragende Interpreten aus aller Welt zu Gast gewesen, um ein Instrument zu kaufen oder reparieren zu lassen.
    Sebastian nahm an seinem Arbeitstisch Platz und setzte eine kleine Brille auf, bevor er nach dem Instrument griff, für das er eine Expertise erstellen sollte. Ein recht seltenes Exemplar: Es hatte Carlo Bergonzi gehört, dem begabtesten Schüler Stradivaris. Es stammte aus dem Jahr 1720 und war erstaunlich gut erhalten. Das berühmte Auktionshaus Farasio war entschlossen, bei der nächsten großen Herbstauktion über eine Million Dollar dafür zu erzielen.
    Als weltweit angesehener Experte konnte Sebastian sich nicht den kleinsten Fehler bei der Bewertung eines so bedeutenden Objektes erlauben. Wie ein Önologe oder Parfümeur hatte er Tausende von Nuancen über jede Geigenbauschule im Kopf: Cremona, Venedig, Mailand, Paris, Mirecourt. Trotz all dieser Erfahrung war es jedoch schwierig, mit absoluter Sicherheit die Echtheit eines Instruments zu bestätigen, und Sebastian setzte bei jeder Expertise seinen Ruf aufs Spiel.
    Vorsichtig klemmte er sich das Instrument zwischen Schlüsselbein und Kinn, hob den Bogen und spielte die ersten Takte einer Partita von Bach. Die Klangfülle war außergewöhnlich. Zumindest so lange, bis plötzlich eine Saite riss und ihm wie ein Gummiband um die Ohren flog. Erschrocken legte er das Instrument ab. Seine ganze Nervosität und Anspannung hatten in seinem Spiel mitgeklungen! Unmöglich, sich zu konzentrieren. Der Vorfall vom Morgen vergiftete seinen Geist. Camilles Vorwürfe hallten immer lauter in seinem Kopf nach. Er konnte nicht umhin, zuzugeben, dass ein Teil ihrer Worte der Wahrheit entsprach. Dieses Mal war er zu weit gegangen. Er hatte schreckliche Angst, sie zu verlieren, und wusste, dass er möglichst schnell wieder mit ihr ins Gespräch kommen musste. Ihm war jedoch auch klar, dass dies nicht leicht werden würde. Er schaute auf seine Armbanduhr, dann zog er sein Handy heraus. Die Schule hatte noch nicht begonnen, mit etwas Glück … Er versuchte, sie zu erreichen, wurde jedoch sofort auf die Mailbox umgeleitet.
    Mach dir keine Illusionen …
    Er kam zu der Überzeugung, dass eine frontale Strategie zum Scheitern verurteilt war. Er musste die Zügel ein wenig locker lassen, zumindest dem Anschein nach. Und dafür brauchte er einen Verbündeten. Jemanden, der es ihm ermöglichte, Camilles Vertrauen zurückzugewinnen. Wenn er dieses Einvernehmen erst einmal wiederhergestellt hätte, würde er sich daran machen, die Angelegenheit zu klären und seine Tochter wieder zur Vernunft zu bringen. Aber wen konnte er um Hilfe bitten?
    Er ging in Gedanken die verschiedenen Optionen durch. Freunde? Er hatte wohl einige »Bekannte«, aber niemanden, der ihm nah genug stand und vertrauenswürdig war, um ein so intimes Problem zu besprechen. Sein Vater war im letzten Jahr gestorben, seine Mutter war nicht wirklich ein Vorbild an Fortschrittlichkeit. Seine Freundin Natalia? Sie war mit dem New York City Ballet in Los Angeles.
    Blieb Nikki, Camilles Mutter …

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