Ein Fall für Perry Clifton
Kensington...
Perry Clifton zieht sich betont sportlich an. Zu einem beigefarbenen Knickerbockeranzug setzt er eine karierte Sportmütze auf. Und bald erscheint er zum dritten Male in zwei Tagen im Stadtteil Kensington.
Er betritt einen Hauseingang, nimmt den Würfel fest in die Hand und verläßt das Haus wieder. Er stellt sich an den Rand des Gehsteiges und beobachtet haarscharf die Reaktion der Vorbeigehenden. Doch niemand schenkt ihm Beachtung, obgleich er sich zur Probe einigen Leuten direkt in den Weg stellt und erst im letzten Augenblick zur Seite ausweicht.
Erst als er überzeugt ist, daß er absolut unsichtbar ist, macht er sich beruhigt auf den Weg. Nach fünf Minuten scharfen Gehens erreicht er das Haus der Kandarskys. Unsichtbar überklettert er das Gitter.
Aus den Presseberichten, die er vorsichtshalber vor seinem Weggehen studiert hat, weiß er, daß Frank Villa mit seiner Frau Gwendolyn in zwei Räumen des Untergeschosses wohnt.
Immer noch unsichtbar umrundet er das Haus. Dabei wirft er auch einen Blick auf den Schauplatz seines nächtlichen Abenteuers... dann entdeckt er an der Westseite ein paar Stufen, die zu einer Tür führen... zwei mit Gardinen versehene Fenster... ohne Zweifel, das müßte Frank Villas Wohnung sein.
Perry steigt leise die wenigen Stufen hinab... erst jetzt läßt er den Würfel los.
Er klopft zweimal. Nicht zu laut und nicht zu leise.
Perry kann sich vorstellen, daß der Baron ihn hinauswerfen ließe, würde er ihn hier entdecken.
Schritte. Sie nähern sich rasch der Tür. Schnelle, kurze Schritte. Die Tür öffnet sich. Eine junge Frau mit einem sehr erstaunten Blick mustert Perry von oben bis unten.
„Wer sind Sie?“
„Nicht hier, Mistreß... Ich nehme doch an, daß Sie Mistreß Villa sind!?“ Perrys Worte sind mehr eine Feststellung als eine Frage. Er spricht mit gedämpfter Stimme.
„Ja, ich bin Gwendolyn Villa. Aber was möchten Sie denn?“
„Ich möchte gern mit Frank, Ihrem Mann, sprechen... darf ich eintreten?!“ Bevor Gwendolyn Villa etwas entgegnen kann, ist Perry schon an ihr vorbeigeschlüpft.
„Schön haben Sie es hier“, schmeichelt er der verdutzten Gwendolyn. Dabei findet er die Einrichtung entsetzlich geschmacklos. Ein großer runder Tisch beherrscht das Zimmer. Er ist mit einer dunkelroten Plüschdecke belegt, was dem Raum eine düstere Atmosphäre verleiht. Eine Kommode mit weißen Spitzendeckchen und einem Radioapparat darauf verdeckt die eine Ecke. In der anderen hängen zwei Regale mit Vasen, Familienbildern und einer vertrockneten Topfpflanze. Außerdem entdeckt er noch eine Gipsbüste von Shakespeare, die als Beschwerer von unzähligen Wettscheinen diverser Pferderennen dient.
„Ihren Namen haben Sie noch nicht genannt“, stellt Gwendolyn Villa sachlich fest.
„Ich komme vom Daily Mirror“, umgeht Perry diplomatisch die Klippe und ist erstaunt, daß Gwen plötzlich einen Schreckensruf ausstößt.
„Von einer Zeitung kommen Sie?! Der Baron hat uns streng verboten, mit Zeitungsleuten zu reden.“
In diesem Augenblick betritt Frank Villa durch eine Nebentür den Raum. Er muß die letzten Worte seiner Frau gehört haben. Mit einem mißtrauischen Blick auf Perry fragt er: „Wer spricht hier von Zeitungsleuten?“
„Frank, dieser Mister kommt vom Daily Mirror“, klärt ihn seine Frau ängstlich auf.
„Ihre Frau war so freundlich, mich ins Haus zu bitten“, sagt Perry höflich zu Frank gewandt.
„Er hat sich selbst gebeten. Bevor ich noch etwas sagen konnte, war er schon im Zimmer“, stellt Mistreß Villa peinlich berührt fest.
Frank Villa läßt sich auf einen Stuhl fallen und knurrt Perry feindselig an:
„Ein Zeitungsschmierer also. Der Baron hat...“
„Ich weiß, Mister Villa. Der Baron hat Ihnen verboten, mit Leuten von der Zeitung zu sprechen“, unterbricht ihn Perry ruhig.
„Stimmt. Außerdem habe ich alles der Polizei gesagt, was ich weiß. Sie kommen ja sicher nur wegen der Diamantengeschichte...“
Frank Villa hat sich erhoben und ist auf dem Wege zur Tür. Doch Perry hat vorgesorgt. Wie durch Zauberei hält er plötzlich eine Fünfpfundnote in der Hand und läßt sie auf den rotbedeckten Tisch segeln. Dazu flüstert er süßlich: „Sicher hat Ihnen der Baron nicht verboten, fünf Pfund als kleine Aufmerksamkeit anzunehmen? — Oder?“
Villa hat für einen Augenblick gestutzt. Sekundenlang blitzt es in seinen Augen gierig auf. Und fast so schnell, wie sie zum Vorschein gekommen ist,
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