Ein Fall für Perry Clifton
Im Salon habe ich vor der Standuhr einen Mann überrascht.“
Die Stimme des Barons ist nur noch ein heiseres Flüstern:
„Vor der Standuhr?... Ein Einbrecher...?“
„Ja, Sir — ich bin bestimmt kein Hasenfuß, was ich aber dann erlebt habe... Sir, ich bin in Ohnmacht gefallen.“
„Wieso? Was war denn los?“ fragt der Baron mit erstickter Stimme.
„Der Fremde hantierte mit den Uhrgewichten herum. Ich sagte zu ihm, er solle sich nicht bewegen... daraufhin steckte er die Hand in die Tasche, ja, und dann... dann…“
„Was dann, Kathrin?“
„Dann war er plötzlich verschwunden... das heißt, nicht ganz... ein Paar graue Hosen waren noch da... Und dann bin ich in Ohnmacht gefallen...“
Auf der Stirn des Barons haben sich dicke Schweißperlen gebildet. Die Knöchel der Hand, die den Hörer halten, haben eine weiße Farbe angenommen, während die Rechte mit fahrigen Bewegungen die Krawatte lockert.
„Und die Uhrgewichte, Kathrin?“
Es ist fast ein Schrei... Doch wozu frage ich, durchfährt es ihn. Es gibt nur eine Antwort.
„Die lagen auf der Erde — aufgeschraubt“, antwortet Kathrin, und mit einem Vorwurf in der Stimme setzt sie hinzu: „Ich wußte gar nicht, daß die Gewichte zum Aufschrauben waren...“
„Waren sie leer...?“
„Ich weiß es nicht, Sir... vielleicht... vielleicht auch nicht... aber die grauen Hosen... soll ich die Polizei anrufen? Hallo, Sir — ich sterbe ja vor Angst hier draußen... wenn er wiederkommt... was soll ich tun... Sir, soll ich die Polizei rufen... Sir, ich habe Angst... hören Sie mich nicht...?“
Nein, Baron Kandarsky hörte nicht mehr. Er hat den Hörer aufgelegt. „Ich habe auch Angst“, murmeln seine Lippen, während er sich den Schweiß von der Stirn wischt... Man hat die Gewichte aufgeschraubt... Für Augenblicke hält er das alles für ein abgekartetes Spiel... wenn nun Kathrin selbst? Unsinn — woher sollte sie sonst von dem Mann in den grauen Beinkleidern wissen... Man ist ihm also auf der Spur... Aber wer? Wer ist es? Wer ist der Mann in den grauen Hosen?
Wenige Minuten nach zwanzig Uhr treffen Dicki und Perry wieder in Norwood ein.
Nachdem sich Dicki aufatmend in einen Sessel hat plumpsen lassen, seufzt er beziehungsvoll: „Ehrlich, Mister Clifton, ich bin froh, daß wir wieder da sind.“
Perry lächelt verstehend, gibt Dicki einen freundschaftlichen Nasenstüber und erwidert in Dickis Tonfall:
„Ehrlich, Dicki, ich auch!“
Dicki sieht mißtrauisch zu Perry hoch. Er rümpft beleidigt seine Stupsnase, weil er annimmt, daß Perry ihn nur foppen will. Aber wie war das — wollte ihm Perry nicht etwas zeigen?
Perry hat es sich bequem gemacht und blickt versonnen vor sich hin. Doch Dicki hat wenig für diese Art innerer Beschauung übrig.
„Mister Clifton — Sie wollten mir doch etwas zeigen!“ erinnert er Perry in vorwurfsvollem Ton an dessen Andeutung.
Perry nickt stumm und greift in die Tasche.
„Da“, sagt er und legt etwas auf den Tisch. „Ich fand es in zwei Gewichten einer alten Standuhr!“
Dickis Augen weiten sich vor Erstaunen, und wie ein auf Land gesetzter Karpfen schnappt er nach Luft.
„In einer Standuhr?“
„Ja, in einer Standuhr!“ Perrys Stimme hört sich sehr sachlich an, und doch schwingt unverkennbar ein gewisser Stolz mit.
Dicki ist tief beeindruckt. „Sind das... oh, Mister Clifton... das sind die Kandarsky-Diamanten?!“
„Das sind sie, Dicki. Ich glaube, daß sich Sir Stanford sehr freuen wird.“
„Das ist der Direktor der Versicherung, nicht wahr?“ Perry läßt die Steine gedankenvoll durch die Finger gleiten.
„Ja. Jetzt braucht er die 70 000 Pfund Sterling nicht auszuzahlen.“
„Dann sind die Steine also in Wirklichkeit gar nicht gestohlen worden?“
„Nein. Alles war nur vorgetäuscht, um in den Besitz der Versicherungssumme zu kommen.“
Dicki nickt andächtig, und mit einer Menge Schadenfreude in der Stimme stellt er fest:
„Dann kommt der Baron also ins Gefängnis.“
„Das ist sehr wahrscheinlich. Vielleicht dauert es noch eine Zeit — aber erwischen wird es ihn auf alle Fälle.“
Das versteht Dicki nun wieder nicht. Überlegend runzelt er die Stirn.
„Aber wenn doch feststeht, daß die Diamanten bei ihm versteckt waren?“
„Er wird behaupten, daß ihm ein anderer die Steine ins Haus geschmuggelt hat... irgendwas wird ihm schon einfallen.“
„Vielleicht hat er sich schon lange aus dem Staub gemacht. Sicher hat ihn diese Miß Kathrin längst
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