Ein Fall für Perry Clifton
dieser kleinen Zirkusstadt Leben ist, denn nirgendwo sieht man Menschen.
Rundherum ist ein blau-weiß-grüner Gatterzaun aufgerichtet, an dem in regelmäßigen Abständen Schilder hängen, deren Aufschriften besagen, daß das Betreten des Innenraumes verboten sei.
Perry Clifton fährt bis dicht an die Begrenzung heran. Als sie Sekunden später den Wagen verlassen, ist noch immer niemand von den Zirkusleuten zu sehen.
„Gibt es denn hier keine Tür?“ fragt Dicki verwundert, dem das Herz plötzlich bis zum Hals hinauf schlägt.
„Anscheinend nicht!“ gibt Perry zur Antwort. „Wenn wir uns dünn machen, können wir dort drüben durchkriechen“, setzt er nach einem forschenden Rundblick hinzu und weist auf eine Stelle, wo sich zwischen zwei Gattern ein schmaler Durchlaß befindet.
„Oder willst du lieber im Wagen auf mich warten?“
Dicki schüttelt den Kopf, während seine Augen angestrengt auf Perrys Schuhspitzen ruhen.
„Ich gehe schon mit... ich meine, wenn Sie Hilfe brauchen...“
„Hm“, macht Perry, und ernsthaft: „Das finde ich anständig von dir...“ Und mit einem: „Dann wollen wir mal“ marschiert er auf den Durchlaß zu.
Vorsichtig Umschau haltend trottet Dicki ihm nach.
Der Zwischenraum ist so breit, daß sie ohne Schwierigkeiten hindurchkönnen. Doch kaum haben sie jenseits des Zaunes zehn Schritte gemacht, ruft eine heisere Stimme hinter ihnen: „He, Sie da... können Sie nicht lesen?“
Erschrocken fahren Perry und Dicki herum.
Auf der Treppe eines Wohnwagens entdecken sie einen finster dreinblickenden Mann, der langsam auf sie zukommt.
„Ich kann sogar gut lesen“, erwidert Perry jetzt auf die nicht gerade freundliche Frage.
„Na also“, schnarrt der andere, der in einem schmutzigen graugrünen Overall steckt. „Dann werden Sie ja auch gelesen haben, was auf den Schildern steht: ,Betreten verboten’ nämlich!“
„Stimmt, Mister. Aber nachdem wir keine Tür gefunden haben, sahen wir leider keine andere Möglichkeit als die, durch den Zaun zu kriechen... Ich hoffe, daß Sie uns das nicht nachtragen werden.“
Als der Mann im Overall den Spott in Perrys Stimme vernimmt, wird er noch unfreundlicher.
„Und was wollen Sie hier?“
„Schlicht und einfach: jemandem einen Besuch machen. Und da Sie sich hier gut auskennen, werden Sie mir sicher verraten können, wo der Wohnwagen von Madame Porelli steht.“
Einen Atemzug lang malt sich Verblüffung auf dem Gesicht des Mannes. Doch dann verzieht es sich zu einem breiten Grinsen, und fast fröhlich antwortet er:
„Hören Sie mal, Sie ulkiger Vogel, ich bin hier als Tierpfleger und nicht als Hellseher.“
Diesmal ist es an Perry, verblüfft zu sein. Entweder ist der Mann die Unverschämtheit persönlich — oder in seinem Oberstübchen ist etwas durcheinander geraten.
Und da ihm letzteres wahrscheinlicher erscheint, beschließt er, sich entsprechend zu verhalten. Doch bevor er weiterfragen kann, weist der Tierpfleger auf einen sehr sauber gestrichenen Wohnwagen. Dazu krächzt seine verrostete Stimme:
„Sehen Sie dort den Wagen mit der Nummer eins? Das ist die Höhle von Direktor Paddlestone. Fragen Sie dort.“ Sagt es, dreht sich um und verschwindet in Richtung der Tierwagen.
„Der ist aber wirklich unfreundlich...“ empört sich Dicki. „Ich hätte ihm am liebsten auf die Zehen getreten.“
„Vielleicht hat er Ärger gehabt, und wir sind ihm gerade richtig gekommen... Ich möchte nur wissen, was er mit dem ,Hellsehen’ meinte.“ Perry zieht die Augenbrauen zusammen. Eine Eigenart, die zeigt, daß er scharf nachdenkt.
„Gehen wir nun zum Direktor — oder nicht?“ will Dicki wissen und schielt heimlich zum Wagen.
„Natürlich... komm!“
Aus dem gepflegten Wohnwagen mit der Nummer eins ertönt leise Radiomusik. Perry Clifton geht die vier Stufen hinauf und klopft verhalten an die Tür.
„Herein!“ erklingt es freundlich, und Perry öffnet.
Ein älterer, grauhaariger Herr sitzt über einer Unmenge von Papieren, die über den ganzen Tisch verstreut liegen. Freundliche graue Augen mustern zuerst Perry, dann Dicki, der sich ebenfalls in den Wohnwagen geschoben hat.
„Entschuldigen Sie, Sir — sind Sie Direktor Paddlestone?“
„Ja, der bin ich höchstpersönlich. Artist?“ verbindet Paddlestone die Antwort mit der Gegenfrage.
„Nein, Herr Direktor. Mein Name ist Perry Clifton... das hier ist mein kleiner Freund Dicki... Ich komme nur, um Sie um eine Auskunft zu bitten.“
Direktor Paddlestone
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