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Ein Fall für Perry Clifton

Ein Fall für Perry Clifton

Titel: Ein Fall für Perry Clifton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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heftig.
    Zögernd hebt er die
Kuckuckspfeife... setzt sie an die Lippen — und läßt die Hand wieder sinken.
Vielleicht fährt das Auto auf dem Waldweg weiter, überlegt er. Doch warum
sollte es? Schließlich ist ein Waldweg keine Autostraße...
    Das Motorengeräusch kommt
näher... Dicki starrt den schmalen Waldweg entlang.
    Da, das Geräusch ist weg...
Stille... Das Auto muß angehalten haben. Sie werden bemerkt haben, daß sie sich
verfahren haben. Sie werden wenden, versucht sich Dicki zu beruhigen.
    Fast scheint es, als solle er
recht behalten. Dicki hört den Motor anspringen. Immer leiser wird das
Motorengeräusch... Der Wagen hat tatsächlich gewendet.
    Dickis Hände sind von der eben
ausgestandenen Aufregung und Angst schweißnaß. Er spürt, wie ihn etwas piekt...
und er erschrickt aufs neue — er hat das Pfeifchen zerbrochen.
Was wird Perry sagen, wenn er es sieht...?
    Doch die Aufregungen reißen
nicht ab.
    Als Dickis Blick jetzt zufällig
den Waldweg streift, befällt ihn lähmendes Entsetzen.
    Unaufhaltsam nähert sich ihm
eine Gestalt.
    Es ist eine Frau mit einem
Koffer. Sie muß mit dem Auto gekommen sein... Lang und schwerfällig sind ihre
Schritte, während ihre Augen konstant in Dickis Richtung sehen.
    Dicki wagt es nicht, sich zu
rühren. Wie angewachsen verharrt er auf dem selben Fleck, und nur einmal wirft er einen ängstlichen Blick zum Haus hinüber.
    Die Frau mit dem Koffer
erscheint ihm riesengroß. Ihre Miene ist finster, und ihre Stimme ist von einer
seltsamen kratzigen Rauheit. Ihre grauen Haare sind hinten zu einem strengen
Knoten zusammengefaßt, über dem ein flaches, schwarzes Hütchen mit den
Produkten einer ganzen Gärtnerei thront. Die Gestalt wird von einem glänzenden
Mantel eingehüllt, der fast bis an die Knöchel reicht.
    „Was suchst du hier?“ In Dickis
Ohren klingen diese Worte wie eine einzige furchtbare Drohung.
    „Ich... ich... oh... ich warte
auf meine Klasse, Madam!“ Eine bessere Ausrede ist ihm nicht eingefallen.
    „Ich bin keine Madam, ich bin
Miß Kathrin, verstanden?“ bellt Kathrin Gillan zurück, stellt ihren Koffer auf
den Boden und stützt ihre Arme kampflustig in die Seiten.
    Dicki sieht sein letztes
Stündchen gekommen, als Kathrin auf ihn Zutritt und mit einem schmerzhaften
Griff nach seinem Ohr schnappt.
    „Du wartest auf deine Klasse?
Seit wann gehen Klassen sonntags in den Wald?“
    „Wir... wir sind eine besondere
Klasse, Miß Kathrin.“ Dicki ist froh, daß ihm diese Erklärung eingefallen ist.
Miß Kathrin läßt sein Ohr los. Sie versucht ein Lächeln... „Meinetwegen — die
Zeiten haben sich geändert. Zu meiner Zeit ging man sonntags in die Kirche.“
    „Ja, Miß Kathrin.“
    Doch Kathrins Interesse an
Dicki ist schlagartig erloschen. Mit gerunzelten Augenbrauen fixiert sie
plötzlich das Haus.
    „Nanu, ich hatte doch alle
Fensterläden geschlossen...“ murmelt sie vor sich hin... „sollte die Herrschaft
da sein?“
    Ohne Dicki noch eines Blickes
zu würdigen, hebt sie ihren Koffer auf und geht auf das Haus zu. Das letzte,
was Dicki von ihr hört, sind die halb beleidigt, halb zornig gebrummten Worte:
    „Kann man sich denn nicht
einmal in Ruhe den Blinddarm herausnehmen lassen...?“
     
    Während Dicki Kathrin Gillan
schreckensbleich nachsieht, kniet Perry Clifton triumphierend vor der Standuhr
im Salon. Es ist ein selten schönes Stück aus der Mitte des vergangenen
Jahrhunderts. Das Gehäuse weist handgeschnitzte Ornamente auf, und das
Zifferblatt stellt die zwölf Sternbilder dar. Alle zwölf in wunderschöner
Intarsienarbeit. Aber — der Perpendikel bewegt sich nicht.

    Perry hat die Standuhr schon
gründlich untersucht, jedoch nichts gefunden. Verzweiflung, Resignation und die
Gewißheit, einem Hirngespinst nachgelaufen zu sein, hatten ihn überfallen. Die
Standuhr war die letzte Uhr im Haus und demzufolge auch Perrys letzte Hoffnung.
    Und dann im Abwenden fiel es
ihm auf... die Uhr besaß ungewöhnlich große Gewichte. Ein Verdacht durchblitzte
ihn, und fast ein wenig widerwillig öffnete er den Uhrenkasten noch einmal,
nahm eines der Gewichte in die Hand und betrachtete es nachdenklich.
    Und dann machte er die
entscheidende Entdeckung... die Gewichte waren aufschraubbar.
    In diesem Augenblick sitzt
Perry vor der Uhr. Seine Augen glänzen, und mit zittrigen Fingern öffnet er den
Verschluß des zweiten Gewichts. Perry hat seine Umgebung vergessen. Fasziniert
betrachtet er die gleißende Pracht. Sein Herz schlägt in einem

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