Ein Fall für Perry Clifton
schieben... Bei diesen Überlegungen angekommen,
verschärft er noch einmal das Tempo — aber die Polizisten halten mit.
Und wieder pfeift es.
Jetzt sieht Perry auch von vorn
zwei Bobbys gelaufen kommen. Gummiknüppelschwingend versuchen sie ihm den Weg
abzuschneiden. Auch die ersten Straßenpassanten beteiligen sich nun an der
Hetze.
Perry keucht bereits. Sein Hemd
klebt ihm am Körper, und in der Seite spürt er ein
schmerzhaftes Stechen. Man sollte mehr Sport treiben, fällt es ihm etwas spät
ein.
Er biegt nach links in die
schmale verwinkelte Sassy-Street ein. Rufe schwirren an sein Ohr, lautes
Schreien soll auf ihn aufmerksam machen, soweit man die Verfolgungsjagd noch
nicht bemerkt haben sollte. Jemand versucht, ihm ein Bein zu stellen, und für
Sekunden taucht vor seinen Augen ein dickes feistes Gesicht mit zwei hinterlistigen
Schweinsäuglein auf.
Perry fühlt, wie ihn eine Hand
am Jackenärmel festhält. Eine kurze Bewegung, und er ist wieder frei. Perry
mobilisiert seine letzten Kraftreserven. Stoßweise verläßt der Atem die
strapazierte Lunge...
Noch fünfzig Meter bis zum
Nelson-Square.
Das Quietschen der bremsenden
Autos vermischt sich mit den Anordnungen der Polizisten.
Perry hat den Nelson — Square
erreicht. Aber es gibt kein Entrinnen mehr. Ausgepumpt und mit
schweißverklebten Augen sieht er, wie sich die Masse Mensch an ihn
heranschiebt. Schritt für Schritt. Neugierige, Rauflüsterne, Polizisten.
Männer, Greise, alte Frauen und Kinder... wo kommen nur all die Kinder her,
überlegt Perry.
Er hält den Zeitpunkt für
gekommen, den Spuk zu beenden. Seine Hand rutscht in die Tasche. Die Menge
stutzt, weicht für Augenblicke zurück. Sie glaubt, daß Perry nach einer
Schußwaffe langt.
Perry umfaßt den Würfel.
Für Sekunden werden die
Menschen vom Entsetzen gelähmt. Fassungslos sehen sie zu ihm hin — wo er stand,
befindet sich jetzt nur noch eine helle, graue, glitzernde Hose.
Selbst die an allerhand
gewöhnten Bobbys vergessen eine Zeitlang das Atmen.
Doch dann bricht der Sturm los.
Und aus dem Lärm vernimmt Perry immer wieder die gleichen Worte: Hose — Hose —
Hose. Und er sieht die hypnotischen Blicke der Menschen, und er sieht, wie sich
die ersten Polizisten in Bewegung setzen. Mit den Augen starr auf seine Beine
gerichtet. Perry fällt es wie Schuppen von den Augen.
Er sieht jetzt glasklar: Seine
neue Hose ist nicht unsichtbar.
Es war Lester Mac Dunnagans
Fehler, daß er die Entwicklung nicht vorausahnen konnte. Wer hätte wohl vor
vierzig Jahren gedacht, daß es vier Jahrzehnte später Stoffe aus der Retorte
geben würde. Perry weiß jetzt auch das Entsetzen der Baronin zu deuten.
Noch zögert er... zögert wenige
Sekunden. Doch dann bietet er der lärmenden Menge noch einmal ein grandioses
Schauspiel.
Seine Augen haben an einer
Hauswand eine Feuerleiter entdeckt. Knappe fünfzig Meter nach links werden es
sein.
Als sich der mutigste der Polizisten
bis auf wenige Meter an ihn herangetastet hat, läuft er los.
Wie ein Amokläufer sprintet er
auf die bestürzte Menge zu seiner Linken zu. Sie schreien, quietschen und
weichen voller Panik und Grauen vor den auf sie zusausenden Hosenröhren zurück.
Perry hat die Hauswand
erreicht. Vier Stockwerk hoch reicht die eiserne
Feuerleiter. Sprosse um Sprosse erklimmt Perry. Und es ist nicht leicht, denn
er hat nur eine Hand frei — in der anderen hält er den Würfel umfaßt. Die Mappe
hat er zwischen die Zähne geklemmt.
Kein anderer Anblick dürfte so
grotesk anzusehen sein wie das behende Hochklettern einer leeren Hose.
Perry erreicht den dritten
Stock... unten versuchen sich ohne besondere Eile die ersten uniformierten
Verfolger auf den Sprossen.
Und dann macht Perry die
Sensation vollständig: In luftiger Höhe entledigt er sich der verräterischen
grauen Hose und läßt sie flatternd zu Boden gleiten. Wo einst eine Hose stand —
ist jetzt nichts mehr... die Menge emporgereckter Hälse erstarrt — das wird
London nie vergessen.
Eine
Tür geht auf.
Müde und noch zerschlagen von
der gestrigen Anstrengung rekelt sich Perry auf seiner Couch. Hin und wieder
schlürft er andächtig an einem erhitzten Whisky.
Dicki hockt neben ihm auf einem
Stuhl und blättert aufgeregt, mit brennendroten Backen, in einem Berg
Zeitungen, die er vor einer Viertelstunde auf Geheiß Perrys gekauft hat. Und
die Lektüre scheint sich zu lohnen.
„Na, Dicki, was schreiben die
Zeitungen?“ fragt Perry wohlig
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