Ein Fall für Perry Clifton
Augenblick leicht
anstößt, zuckt er zusammen.
„He,
Dicki, was ist los mit dir? Worüber denkst du so scharf nach?“
„Glauben
Sie, Mister Clifton, daß es lange dauert, bis man einem Dackel so etwas
beigebracht hat?“
Perry
muß lachen. Und als er Dickis vorwurfsvollen Blick sieht, verstärkt sich sein
Lachen noch.
„Du
bist doch ein Kindskopf, Dicki. Kaum hast du was gesehen, schon reizt es
dich... Ich glaube kaum, daß du die Geduld aufbringen würdest. Es dauert
Monate, bis ein Tier soweit ist.“
„Es
ist eben schade, daß mir Dad keinen Hund kaufen will“, erwidert er gekränkt,
ohne weiter auf Perrys Worte einzugehen.
„Hast
du ihn denn schon gefragt?“ will Perry wissen.
„Na
klar!“ Trotz ist in seiner Stimme. „Er hat mir geantwortet, ich solle mir eine
Schildkröte zulegen; mit der müsse man nicht auf die Straße zum Bäumesuchen.“
Perry
muß schon wieder grinsen. Begütigend klopft er Dicki auf die Schulter.
„Als
ob ich eine Schildkröte zum Spielen mitnehmen könnte.“
„Und
außerdem ließe sie sich wohl kaum für deine Zwecke abrichten“, ergänzt Perry. „Sie
kann weder neben einem Fahrrad herlaufen, noch hebt sie jemals einen Würfel aus
der Kiste.“
Dicki
schweigt.
Was
soll er auch sagen, wenn nicht mal sein bester Freund Verständnis für ihn
zeigt. Das hat man nun davon. Man sollte sich nie mit Erwachsenen abgeben. Und
als ihm Perry in diesem Augenblick zuruft: „Komm, wir müssen aussteigen“, da
bliebe er am liebsten sitzen.
Die
Verlustanzeige
Vier
Tage sind seit Perrys und Dickis Zirkusbesuch vergangen.
Es
ist Mittwoch, lange nach dreiundzwanzig Uhr. Genauer gesagt: dreiunddreißig
Minuten vor Mitternacht.
Hastende
Schritte eilen klappernd die Dannister-Street in Richtung Bogert-Hall hinunter.
Ohne
nach rechts und links zu sehen, eilt die Gestalt mit flatterndem Mantel an
dunklen Torbögen und erleuchteten Hausgängen vorbei. Es ist eine Frau.
Ihr
Atem geht stoßweise, während ihre Schuhe im gleichmäßigen Rhythmus über den
Asphalt hämmern.
Endlich
scheint sie ihr Ziel erreicht zu haben. Erschöpft lehnt sie sich für einen
Augenblick an die Hauswand und läßt ihren Blick auf dem erleuchteten Schild
ruhen:
,35.
Polizeistation, Mitcham’.
Sekundenlang
schließt sie die Augen, doch mit einem entschlossenen Ruck stößt sie sich von
der Mauer ab und springt die vier Stufen hinauf.
Geräuschvoll
reißt sie die Tür auf.
Sergeant
Popper läßt vor Schreck seine Pfeife fallen, bevor er mit Stentorstimme ruft:
„Donner
und Doria, Madam — wollen Sie die gesamte Polizeistation demolieren?!“
Doch
die Frau kümmert sich wenig um seine Worte. Im Gegenteil, fast hat es den
Anschein, als wolle sie den Sergeanten mit einer herrischen Handbewegung zum
Schweigen bringen.
„Ich
möchte eine Verlustanzeige erstatten“, verkündet ihre Stimme. Eine Stimme, die
dem Polizisten ungewöhnlich erscheint, denn sie ist tief und voll. Und wenn er
nicht wüßte, daß es eine Frau ist, die da vor ihm steht, würde er behaupten,
die Stimme gehöre einem Mann.
„Aha...“
erwidert er wenig geistreich und starrt noch immer auf die späte Besucherin,
die schweratmend an der Barriere Halt sucht, und deren funkelnde Augen nichts
Gutes erwarten lassen.
„Sie
wollen also eine Verlustanzeige erstatten“, wiederholt er deshalb einen Ton
freundlicher und eifriger. „Was ist Ihnen denn abhanden gekommen?“
„Mir
ist nichts abhanden gekommen, mir ist etwas gestohlen worden. Sie müssen die gesamte
Polizei alarmieren!“ dröhnt es Popper entgegen. Und sofort läuft es ihm kalt
über den Rücken, wenn er daran denkt, was es bedeuten würde, jetzt einen
Großalarm auslösen zu müssen. Doch plötzlich kommt ihm eine Idee:
„Sie
sollten morgen zum Diebstahlsdezernat gehen.“
„Schweigen
Sie“, faucht ihn die Frau an, und Sergeant Popper weicht erschrocken einen
Schritt zurück.
„Es
handelt sich um Jocky. Irgend jemand muß ihn entführt
haben. Aber der oder die Diebe halten sich bestimmt noch in London auf.“
Der
Beamte hat sich jetzt gefaßt. Er verzieht sein Gesicht in grimmige dienstliche
Falten und fragt sachlich:
„Sie
müssen schon etwas deutlicher werden. Wer ist Jocky? Ihr Sohn? Ihre Tochter?“
Sergeant
Popper unterstreicht jede Frage mit einem Pochen auf seine Schreibtischplatte.
Und dann seufzt er erleichtert auf, als er sieht, wie sich die Tür öffnet und
sein Kollege Frank Oster eintritt.
„Ja,
kennen Sie mich denn
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