Ein Fall für Perry Clifton
Wagen warten soll, hat Mister Clifton
eigentlich nicht verlangt. Warum sollte er sich nicht ein wenig die Füße
vertreten?
Nach
einem schnellen Blick auf Krenatzkis Laden steigt er aus. Er ahnt nicht, daß
das Abenteuer schon auf ihn wartet und daß jede seiner Bewegungen von einem
Augenpaar verfolgt wird.
Dicki
geht langsam die Wourcester-Street aufwärts. Magisch angezogen von dem
erleuchteten Schaufenster eines Buchladens.
Interessiert
betrachtet er die ausgestellten Bücher. Er entziffert die Titel, liest ein paar
Zeitungskritiken, die der tüchtige Buchhändler bei einigen Exemplaren
dazugelegt hat und — ärgert sich über die Preise der angebotenen
Kriminalromane.
Nur
im Unterbewußtsein nimmt er die klappernden, sich nähernden Schritte wahr.
Noch
zwanzig Meter trennen ihn von der Gestalt, die sich im Halbdunkel der
schlechterleuchteten Straße schemenhaft auf ihn zubewegt.
Noch
fünfzehn Meter.
Dicki
rechnet sich gerade aus, wie viele und welche Bücher er kaufen könnte, wenn er
jetzt drei Pfund in der Tasche hätte.
Noch
fünf Meter.
Dicki
entschließt sich für zwei zusammenhängende Bände mit dem Titel
,Die Texas-Story’.
Das
Klappern ist jetzt direkt hinter ihm.
Dicki
hat noch immer keine Veranlassung, sich herumzudrehen...
Die
Schritte beginnen sich zu entfernen.
Doch
plötzlich verstummen sie...
„Na
komm schon, Jocky...“
Dicki
hat es gehört. Deutlich. So deutlich, als hätte man ihm die wenigen Worte ins
Ohr geschrien.
,Na komm schon, Jocky...’
Das
Klappern der Schritte setzt wieder ein.
Dicki
steht starr und steif und wagt sich nicht zu rühren. ,Na komm schon, Jocky...“ War das nicht Madame Porellis Stimme gewesen? Oder klang
sie nur ähnlich? Sie war tief... Und daß es die Schritte einer Frau waren,
hätte selbst ein Blinder gemerkt...
Und
dann reißt es ihn doch herum.
Dicki
Miller, ganze zwölf Jahre alt, mit neunundzwanzig Sommersprossen über der Nase,
erschauert.
Dreißig
Meter Entfernung liegen zwischen ihm und der Frau im langen, dunklen Mantel,
die jetzt um die Straßenecke biegt und seinen Blicken entschwindet. Sie und der
Dackel.
Was
soll Dicki tun? Perry Clifton verständigen?
Ein
Blick zurück genügt, um zu erkennen, daß von Perry
Clifton
weit und breit nichts zu sehen ist.
Fast
automatisch setzt sich Dicki in Bewegung.
,Ich muß ihr nach“, geht es ihm durch den Kopf. ,Bevor ich Perry geholt habe, ist sie längst über alle
Berge.’
Zu
diesem Entschluß gekommen, beschleunigt er seine Schritte. ,Ich darf sie nicht aus den Augen verlieren’, hämmert es in ihm, während ihm kalte
Angstschauer über den Rücken kriechen. Gleichzeitig jedoch durchströmt ihn ein
eigenartiges Glücksgefühl. Er, Dicki Miller, ist der Frau mit dem Dackel auf
der Spur... Dicki Miller ist zum großen Detektiv geworden.
Und
wie er es aus der Lektüre unzähliger Kriminalromane weiß, hält er sich bei
seiner Verfolgung immer dicht im Schatten der Hauswände, obgleich ihn besonders
die finsteren Eingänge vor Furcht erzittern lassen.
Nachdem
Dicki die Straßenecke, hinter der die Dackeldame verschwunden war, passiert
hat, sieht er sie wieder vor sich.
Sie
scheint keine sonderliche Eile zu haben.
Dicki
ist mit seiner Verfolgung so beschäftigt, daß er die sonderbaren Blicke der
vorübergehenden Passanten nicht bemerkt.
Es
kommt ihm auch nicht zu Bewußtsein, daß er sich immer weiter von der Wourcester-Street
entfernt. Ebensowenig wie er merkt, daß der Nebel ständig zunimmt. Ein Zeichen,
daß er sich der Themse nähert.
Da...
Dicki preßt sich erschrocken an eine Hauswand.
Die
Frau ist stehengeblieben... ob sie ihn gesehen hat?
Doch
dann atmet er erleichtert auf... Es ist nur der Dackel, der an dem Rest eines
alten Gaslaternenpfahles Gefallen gefunden hat.
Um
achtzehn Uhr zweiundfünfzig treten Perry Clifton und Scotty Skiffer aus dem
Laden des noch immer lamentierenden Jan Krenatzki.
Während
Scotty Skiffer in seinen Dienstwagen steigt und davonfährt, wendet sich Perry
Clifton nachdenklich seinem Mietwagen zu...
Erst
als er die Hand bereits auf den Türgriff gelegt hat, dringt es in sein Denken,
daß Dicki gar nicht im Auto sitzt.
Noch
ist er nicht beunruhigt. ,Er wird irgendwo vor einem
Schaufenster stehen“, spricht er zu sich und dreht sich suchend im Kreis.
Von
Dicki keine Spur.
In
Perry beginnt leichte Unruhe zu nagen.
„Dicki!!“
schallt seine Stimme auf. Vergeblich lauscht er auf Antwort. Zuerst langsam,
dann immer schneller eilt er die
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