Ein Fall von Liebe
schön, daß du ein Mädchen hast. Ich möchte sie sehr gern kennenlernen. Sie muß entzückend sein. Aber versprich mir, nichts zu übereilen. Das wäre ein großer Fehler. Du hast noch nie eine richtige Freundin gehabt. Ich hoffte immer so sehr, daß du eine fändest. Du mußt mit ihr zum Wochenende einmal zu uns kommen. Ich fürchte, es wird eine ganze Zeit dauern, bis du dir eine Heirat leisten kannst.«
»Nun, vielleicht nicht... wir sind...«
»Was war denn mit Peter – warum war Mutter so aufgebracht?«
»Vielleicht war ich sein Schwarm. Er ist eben noch so jung. Bei jungen Leuten kommt das oft vor. C. B. hat es maßlos übertrieben.«
»Sie macht mir Sorgen. Ich fürchte, sie wird mit den Jahren immer unausgeglichener. Sie hat stets zu Extremen geneigt. Das hat das Leben mit ihr für meinen Vater sehr schwer gemacht. Er war ein so sanfter Mensch.«
»Sanft? Er hat dich geschlagen.«
»Ach, hat sie dir das gesagt?« Sie schüttelte mit einem kummervollen Stirnrunzeln den Kopf. Er spürte, daß er der üblichen Stimmung verfiel, die all ihre Zusammenkünfte überschattete. Er gab seinen Widerstand gegen sie auf und wurde von ihrem beständig nagenden Kummer mitgerissen. Sie war nie wütend oder empört oder heiter, nur besorgt. Sie reduzierte das Leben auf einen einzigen Zustand, endloses Bestürztsein. »Vielleicht hat er mich einmal zu heftig geschlagen, als ich ungezogen war. Er lebte immer unter einem Druck. Sie liebte ihn trotz allem leidenschaftlich.«
»Aber sie haßte ihn doch.«
»Haßte ihn? Ich erinnere mich noch daran, als er starb. Sie schrie, raufte sich das Haar und rief immer wieder, er solle bei ihr bleiben. Es war entsetzlich traurig.«
Natürlich stimmte das nicht. Sie legte sich immer alles so zurecht, wie es ihr paßte. »Woran ist er gestorben?« fragte er mit seltsamem Widerwillen.
Sie blickte um sich. »Ich habe es eigentlich nie genau erfahren. Ich war noch ein Kind. Es war irgendein Unfall natürlich. Wir lebten damals auf der Pflanzung. Ich werde nie vergessen, wie sie ihn hereinbrachten. Die Schwarzen standen mit ihren rollenden Augen herum. Mutter schrie und bat ihn, ihr zu verzeihen, und flehte ihn an, nicht zu sterben. Es war grauenvoll. Ich glaube, seitdem ist sie nie wieder ganz normal geworden.«
Diese Version von C. B.’s Tragödie lehnte er energisch ab. Warum sollte sie von einem ›Trunkenbold und Biest‹ Vergebung erbitten? Diese Worte hatte sie bestimmt benutzt. Sie log nicht, noch war sie verrückt. Ich muß mit ihr darüber sprechen, murmelte er vor sich hin.
»Jetzt bist du verliebt – ich meine, darum sprichst du von Heirat, nicht wahr? Du bist verliebt, mein Junge, nicht wahr?«
»Ja, ich glaube ja«, gab er zu und mußte dabei plötzlich an Peter denken.
»Es wird dir nicht immer leicht fallen, vernünftig zu sein. Liebe ist ein sehr kompliziertes Gefühl. Darum ist es so wichtig, die Selbstbeherrschung nicht zu verlieren. Denke daran. Versuch immer, die Selbstbeherrschung zu behalten. Wir können so furchtbare Fehler machen, wenn die Liebe zu einer rasenden Leidenschaft wird.«
Er rutschte auf seinem Stuhl unruhig hin und her. Er wußte, was Selbstbeherrschung war, wußte es nur allzu genau. Als er sich von ihr trennte, blieb eine große Frage offen, die den Kern seines Lebens berührte. Natürlich war Peters Haltung C. B. gegenüber töricht. Seine Mutter irrte sich immer in allem. Die Frage blieb: War es richtig, sich ganz in C. B.’s Hand zu geben? Denn er wußte, darauf lief es hinaus. Alles, was er tat, tat er für sie: die Trennung von Peter, die bevorstehende Heirat, obwohl sie vielleicht anfangs gar nicht so sehr erfreut darüber sein würde, waren Opfer auf dem Altar ihrer Billigung. Warum zweifelte er jetzt an ihr? Einer leichten Diskrepanz in zwei Versionen eines Ereignisses wegen, das weit zurücklag? Seine Mutter war ein Kind und nie eine verläßliche Zeugin gewesen. Er würde für seine Entscheidungen sofort und beträchtlich belohnt werden: Befreiung von emotioneller Qual, eine Ehe, die einen annehmbaren gesellschaftlichen Status bedeutete, das ihn immer wieder herausfordernde Zusammenleben mit Hattie.
Als Hattie zum zweitenmal anrief, zeigte sich, daß der Eheschließung nichts mehr im Wege stand. An diesem Nachmittag um fünf Uhr waren Charles Mills und Harriet Donaldson Mann und Frau. Sie trennten sich sofort, Hattie, um ihren Eltern die Neuigkeit mitzuteilen und einen Koffer zu packen, Charlie, um C. B.
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