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Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Titel: Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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Briefumschläge, die mit einem ausgeblichenen blauen Faden zusammenschnürt waren.
    Das war nicht gerade das, worauf ich gehofft hatte.
    Enttäuscht legte ich das Bündel zurück in die Kiste, nahm sie mit in mein Zimmer, schloss die Tür und setzte mich mit meinem Fund aufs Bett.
    Nervosität machte sich in mir breit. Eine einzige Wasserbombe hatte Callie in Schwierigkeiten gebracht. Ich fragte mich, welches Schicksal mir wohl blühte.
    Ich öffnete die Kiste, zog das Bündel aus dem Beutel, zupfte den Faden auf und nahm den obersten Umschlag in die Hand. Er war nicht verschlossen. Ich griff hinein und holte ein gefaltetes Stück Papier heraus. Es war ein Brief.
    Nach den ersten paar Zeilen schwand auch meine letzte Hoffnung. Den Brief hatte irgendein Mädchen geschrieben – nur rührseliger Mist. Ich öffnete die anderen Briefe, überflog die Seiten, steckte sie alle wieder in die Umschläge, schloss die Kiste und schob sie unters Bett.
     
    Ungefähr eine Woche später stellte Daddy eine dicke farbige Frau namens Rosy Mae Bell ein. Sie war groß, stämmig und sehr schwarz, trug Kleider, die aussahen, als wären sie aus den Vorhängen meiner Mutter genäht, und band sich bunte Tücher um den Kopf, die sie über der Stirn mit einer kleinen Schleife verknotete. Sie sah ein bisschen aus wie Aunt Jemima auf dem gleichnamigen Sirup. Oder, wie wir sagten, Sürup.
    Rosy Mae wurde die Verantwortung fürs Putzen, Staubwischen und Kochen in unserem Haus übertragen. Und zwar wegen der vielen Arbeit, die das Autokino mit sich brachte. Mom war der Ansicht, wenn sie die halbe Nacht in der Kino-Imbissbude stehen und sich tagsüber mit mir und Callie herumschlagen musste, dann sollte sie ein wenig Hilfe im Haushalt bekommen.
    Das Putzen erledigte Rosy Mae so lala, aber am Herd besaß sie ein göttliches Talent. Selbst im Hause des Herrn war der Tisch bestimmt nicht so köstlich gedeckt wie bei uns. Ich merkte, dass meine Mom nach einer Weile tatsächlich ein bisschen eifersüchtig auf Rosy Mae wurde, und wenn wir uns am frühen Abend zum Essen hinsetzten – das Autokino öffnete an Sommerabenden um acht Uhr, was bedeutete, dass wir gegen sieben mit den Vorbereitungen beginnen mussten –, dann fand sie immer eine Kleinigkeit am Gebäck oder an der Soße auszusetzen. Aber es war nur halbherzige Kritik, denn Mom wusste, genau wie wir alle und auch Rosy (obwohl sie immer so tat, als gäbe sie Mom völlig recht), dass dieser Genuss nicht mehr zu steigern war.
    Ich und Rosy wurden schon bald ein Herz und eine Seele. Tagsüber, wenn Rosy putzen sollte, saß sie häufig mit mir zusammen, erzählte mir Geschichten oder hörte mir zu, wenn ich von Sachen sprach, die ich nicht einmal meinen Eltern gegenüber erwähnt hätte. Oft machte sie es sich auf dem Wohnzimmersofa bequem und las Groschenromane. Damit kam sie ungestraft davon, wenn Mom irgendetwas zu erledigen hatte und Daddy draußen vor dem Haus den Rasen mähte oder auf dem Kinoparkplatz Pappbecher, Popcorntüten und ähnliche Abfälle aufsammelte, die die Besucher aus dem Fenster geworfen hatten.
    Zwischen diesem Müll begannen mit einiger Regelmäßigkeit irgendwann noch andere Dinge aufzutauchen – eigenartige durchsichtige Luftballons wie der, der sich in Callies Zimmer gefunden hatte.
    Meine Aufgabe war es, die Imbissbude und die kleine Veranda davor zu wischen, und meistens schaute ich Daddy dabei zu, wie er den Müll mit einem Stock aufsammelte, an dessen Spitze ein Nagel befestigt war. Er stach die Abfälle auf und ließ sie in einen Sack fallen; diese Ballons allerdings schien er immer besonders vehement aufzupieken. Langsam dämmerte es mir, dass diesen speziellen Ballons etwas Geheimnisvolles, vielleicht sogar Bedrohliches zu eigen war, von dem ich bis dahin nichts geahnt hatte.
    Rosy Mae und ich hatten so etwas wie eine Abmachung. Wenn ich die Veranda wischte oder in der Imbissbude war und Daddy durchs Fenster beobachten konnte, stand ich für sie Schmiere. Außerdem waren meine Ohren so gut, dass Rosy Mae mich »Nubs großen Bruder« nannte. Wenn ich hörte, wie Mom nach Hause kam, oder sah, dass Daddy seine Arbeit beendete, streckte ich den Kopf ins Wohnzimmer und rief ihren Namen in einem Tonfall, der ihr verriet, dass sie aufstehen, ihr Heft verstecken, sich einen Staubwedel schnappen und sich in Bewegung setzen sollte.
    Und auf einmal war sie ganz schön flink. Die Zeitschrift verschwand im Nullkommanichts in der riesigen Tasche mit dem Paisleymuster, die sie

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