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Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss

Titel: Ein feiner dunkler Riss - Lansdale, J: Ein feiner dunkler Riss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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Sägemühle stand, kam mir die Idee. Wenn du nach Hause willst, dann geh. Ich nehm’s dir nicht übel. Aber ich buddele diesen Hund aus, und dann schleife ich ihn auf die Terrasse. Er wird wissen, dass ich es war, und das reicht.«
    »Woher wird er das wissen?«
    »Ich werde ihm ein Zeichen hinterlassen, an dem er es erkennt.«
    »Was für ein Zeichen?«
    »Tja, das hab ich mir noch nicht überlegt. Aber mir fällt schon noch was ein. Und selbst wenn er es gar nicht weiß – ich weiß, dass ich es getan hab.«
    Ich seufzte. »Also gut. Legen wir los.«
     
    Der Mond schien hell auf den Hinterhof, so hell, dass wir sogar erkennen konnten, wo die Hühner in der Erde gescharrt hatten. Vor der Scheune grunzte das Schwein uns einmal kurz an, dann legte es sich in seine Suhle und blieb still.
    Richard und ich schoben den Riegel an dem riesigen Tor hoch und drückten es auf. Der Eingang wurde vom Mond beleuchtet, aber hinten in der Scheune war es dunkel wie in einer Kuh.
    Ich zog die kleine Taschenlampe aus meiner Hosentasche und ließ den Lichtstrahl umherwandern. An der hinteren Scheunenwand hing ein riesiges Kreuz. Es sah aus, als hätte es jemand mit dunkler Farbe bespritzt. Rechts und links davon entdeckte ich Buchseiten, die aus einer Bibel herausgerissen und hier angepinnt worden waren. Jetzt fiel mir wieder ein, wie Richard mir erzählt hatte, dass die Scheune eine Art Kapelle sei und Mr Chapman sich selbst als Prediger betrachte.
    Ich richtete die Taschenlampe auf diese Blätter. »Was hat’s damit auf sich?«, fragte ich.
    »Daddy hängt Bibelverse an die Wand, unterstreicht sie und zwingt Mom und mich dann, sie auswendig zu lernen. Ich musste mich davorstellen und sie mir einprägen.«
    »Das hast du mir nie erzählt.«
    »Würdest du so was freiwillig erzählen? Ich nicht, aber hier hängen sie nun mal.«
    »Das am Kreuz ist doch hoffentlich Farbe, oder?«
    »Das meiste ist Tierblut.«
    »Warum das denn? Und nur das meiste?«
    »Immer wenn er ein Huhn oder ein Schwein oder sonst was schlachtet, dann nimmt er was von dem Blut, schmiert es ans Kreuz und lässt es da trocknen. Er hat’s noch nie saubergewischt.«
    »Aber wozu?«
    »Er betrachtet es als Opfer für den Herrn. Du weißt schon, ›wir danken dir für dieses Hühnchen‹, ›wir danken dir für diese Schweinekoteletts‹. Als er mich mal mit dem Gürtel verprügelt hat, hat er das Blut vom Leder gewischt und auch ans Kreuz geschmiert, und da hat er nicht Danke gesagt. Ich tauge nicht mal so viel wie ein Hühnchen. Es hieß bloß: ›Und hier bringe ich dir das Blut eines Sünders.‹ Deswegen ist eben nicht alles Tierblut.«
    »Sag mir, was das für eine Religion ist, damit ich einen großen Bogen darum machen kann.«
    »Er behauptet, keine Religion würde ihre wahre Aufgabe erfüllen, und eigentlich müssten es alle so machen wie er.«
    »Ich glaube, dann wären die Kirchen ziemlich schnell leer.«
    »Seine Predigten würden die Leute auch verscheuchen«, sagte Richard. »Immer geht es darum, dass wir sterben und zur Hölle fahren und im ewigen Feuer schmoren und so. Und dass wir die ganze Zeit Buße tun sollen.«
    »Buße? Was ist denn das?«
    »Es bedeutet, dass man irgendwie für seinen Glauben leidet und Schmerzen erträgt, um zu zeigen, wie sehr man glaubt.«
    Ich schwenkte die Lampe herum. In einem Verschlag auf der einen Seite stand das Maultier. Im Licht der Taschenlampe sahen seine Augen aus wie große schwarze Knöpfe. Auf der anderen Seite, sauber aufgereiht und geputzt, geschliffen und geölt, hingen an einem Holzgestell alle möglichen Werkzeuge. Eine Sense. Eine Axt. Eine Hacke. Mehrere Lochspaten. Eine Schaufel.
    Richard streichelte dem alten Maultier über die Nüstern. »Na, mein Guter, wie geht’s dir? – Das arme Tier hat er genauso geschunden wie alle andern auch. Eigentlich sollte ich es freilassen, aber es würde gar nicht wissen, wo es hin soll. Würde einfach wieder zurückkommen – oder irgendwo sterben.«
    »Deine Eltern werden uns hier noch erwischen«, sagte ich.
    »Stimmt«, sagte Richard. Er gab dem Maultier einen letzten Klaps, dann nahm er die Schaufel vom Haken.
    Wir zogen das Tor wieder zu, schoben so leise wie möglich den Riegel vor und liefen in den Wald, wo der Hund begraben lag.
     
    Blätter raschelten unter unseren Füßen, und es war dunkel im Wald. Die Batterien meiner Taschenlampe wurden immer schwächer, und ich musste die Lampe kräftig schütteln, damit sie leuchtete. Schließlich erlosch sie

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