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Ein Feuer Auf Der Tiefe

Ein Feuer Auf Der Tiefe

Titel: Ein Feuer Auf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
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vor der Tür angehalten. Wachrudel hatten sich über den Hügel verteilt, ihre Armbrüste aber nicht gespannt.
    Das nachmittägliche Sonnenlicht fand eine Lücke zwischen den Wolken im Westen und schien für einen Moment auf das feuchte Heidekraut und die glänzenden Holzwände, ließ sie hell vom dunklen Himmel über den Anhöhen abstechen. Es war eine Kombination von Licht und Dunkelheit, die Johanna immer besonders schön gefunden hatte. Bitte lass sie gesund sein.
    Die Wachen ließen sie vorbei. Wanderer Wickwracknarb stand am Eingang, und drei von ihm sahen zu, wie sie näher kam. Der vierte, Narbenhintern, hatte seinen langen Hals durch die Türöffnung gesteckt und beobachtete, was immer drinnen geschehen mochte. »Sie wollte wieder hier sein, wenn es geschieht«, sagte er.
    »W-was geschieht?«, fragte Johanna.
    Pilger machte das Gegenstück eines Achselzuckens. »Es war der Schock der losgehenden Kanone. Aber alles Mögliche hätte dasselbe bewirken können.« Etwas war seltsam an der Art, wie seine Köpfe auf und ab wogten. Erschüttert begriff Johanna, dass das Rudel vergnügt lächelte.
    »Ich will sie sehen!« Narbenhintern wich hastig zurück, als sie auf die Tür zu ging.
    Drinnen gab es nur das Licht von der Tür und den hohen Fensterschlitzen. Es dauerte eine Sekunde, bis sich Johannas Augen eingewöhnt hatten. Etwas roch… nass. Holzschnitzerin lag im Kreis auf der gefütterten Matratze, die sie allabendlich benutzte. Johanna ging durch den Raum und kniete sich neben das Rudel. Das Rudel wich nervös vor ihrer Berührung zurück. In der Mitte der Matratze war Blut und etwas, das aussah wie ein Haufen Eingeweide. Johanna fühlte den Drang, sich zu übergeben. »Holzschnitzerin?«, sagte sie ganz leise.
    Eins von der Königin kam wieder auf Johanna zu und legte die Schnauze in die Hand des Mädchens. »Hallo, Johanna. Es ist… so seltsam…, zu so einer Zeit jemanden bei sich zu haben.«
    »Du blutest. Was ist passiert?«
    Leises, menschlich klingendes Lachen. »Ich bin verletzt, aber es ist gut… Schau her.« Das Blinde hielt etwas Kleines und Nasses zwischen den Kiefern. Eins von den anderen leckte daran. Was immer es sein mochte, es zappelte, lebte. Und Johanna fiel wieder ein, wie sonderbar plump und unbeholfen Holzschnitzerin geworden war.
    »Ein Baby?«
    »Ja. Und in ein, zwei Tagen kriege ich noch eins.«
    Johanna setzte sich auf die Holzdielen und schlug die Hände vors Gesicht. Gleich würde sie wieder zu weinen anfangen. »Warum hast du mir nichts gesagt?«
    Holzschnitzerin schwieg eine Weile. Sie leckte das Kleine ringsum ab, dann setzte sie es an den Bauch des Gliedes, das die Mutter sein musste. Das Neugeborene schmiegte sich an, stukte die Nase in das Fell am Bauch. Es gab keinerlei Laute von sich, die Johanna hören konnte. Schließlich sagte die Königin: »Ich… ich weiß nicht, ob du das verstehen wirst. Das ist sehr schwer für mich gewesen.«
    »Kinder zu kriegen?« Johannas Hände waren klebrig vom Blut auf der Matte. Natürlich war es schwer gewesen, aber so muss auf einer Welt wie dieser ja jedes Leben beginnen. Es war ein Schmerz, der des Beistandes von Freunden bedurfte, ein Schmerz, der zur Freude führte.
    »Nein. Es ist nicht das Kinderkriegen. Ich habe mehr als hundert geboren, soweit ich zurückdenken kann. Aber diese beiden… sind mein Ende. Wie sollst du das verstehen? Ihr Menschen habt nicht einmal die Wahl, ob ihr weiterleben wollt; eure Nachkommen können niemals ihr selbst sein. Für mich aber bedeutet es das Ende einer Seele, die sechshundert Jahre alt ist. Weißt du, ich habe vor, diese beiden als Teil von mir zu behalten – und zum ersten Mal in all den Jahrhunderten bin ich nicht sowohl Mutter als auch Vater. Eine Neukunft werde ich sein.«
    Johanna schaute auf das Blinde und den Sabberer. Sechshundert Jahre Inzucht. Wie lange hätte Holzschnitzerin so weitermachen können, bevor der Verstand selbst verfiel? Nicht sowohl Mutter als auch Vater.
    »Aber wer ist dann der Vater?«, platzte sie heraus.
    »Was meinst du wohl?« Die Stimme kam von unmittelbar hinter der Tür. Einer von Wanderer Wickwracknarbs Köpfen lugte gerade weit genug um die Ecke, dass ein Auge zu sehen war. »Wenn Holzschnitzerin einen Entschluss fasst, tut sie es gründlich. Sie ist die am sorgsamsten beisammengehaltene Seele aller Zeiten gewesen. Doch nun hat sie Blut – Gene, würde das Datio sagen – von Rudeln aus aller Welt, von einem der bröckligsten Pilger, der je seine Seele in

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