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Ein Feuer Auf Der Tiefe

Ein Feuer Auf Der Tiefe

Titel: Ein Feuer Auf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
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die die Org mit ihm hatte! Theoretisch bedeutete das, dass sie ihrer Aufgabe mit reinem Gewissen nachgehen konnte. Wirklich jedoch…
    »Herr Nuwen, meine Aufgabe ist, Ihnen zu helfen, sich in Ihrer neuen Welt zurechtzufinden. Ich weiß, dass Sie in den letzten paar Tagen intensiv geschult worden sind, aber solches Wissen zu verarbeiten, braucht seine Zeit.«
    Der Rotschopf lächelte. »Nennen Sie mich Pham. Gewiss, ich komme mir vor wie eine Tasche, in die man zu viel hineingestopft hat. Meine Schlafenszeit ist angefüllt mit Stimmchen. Ich habe schrecklich viel gelernt, ohne etwas zu erleben. Schlimmer noch, diese ganze ›Bildung‹ ist gezielt für mich zusammengestellt worden. Das ist eine perfekt abgekartete Sache, falls die Vrinimi mich hereinlegen will. Deshalb lerne ich, mit der örtlichen Bibliothek umzugehen. Und darum habe ich darauf bestanden, dass sie jemanden wie Sie herbeischaffen.« Er sah die Überraschung auf ihrem Gesicht. »Ha! Das haben Sie nicht gewusst. Sehen Sie, mit einem richtigen Menschen zu sprechen, gibt mir Gelegenheit, Dinge zu sehen, die nicht alle im Voraus geplant wurden. Außerdem bin ich schon immer ein ziemlich guter Menschenkenner gewesen; ich glaube, ich begreife Sie ziemlich gut.« Sein Grinsen ließ erkennen, dass er durchaus wusste, wie sehr er sie irritierte.
    Ravna hob den Blick zu den grünen Blütenblättern der Strandbäume. Vielleicht verdiente dieser Trottel, was ihm bevorstand. »Sie haben also viel Erfahrung im Umgang mit Menschen?«
    »Wenn man die Schranken bedenkt, die das Langsam auferlegt, bin ich viel herumgekommen, Ravna. Ich weiß, dass man es mir nicht ansieht, aber ich bin sogar nach subjektiven Jahren ein ziemlich alter Bursche. Ich habe Ihrer Organisation zu danken, dass sie mich so gut aufgetaut hat.« Er zog einen nicht vorhandenen Hut vor ihr. »Meine letzte Reise hat über tausend Jahre Objektivzeit gedauert. Ich war Gefechtsprogrammierer auf einem Dschöng-Ho-Fernfahrtschiff…« Seine Augen weiteten sich abrupt, und er sagte etwas Unverständliches. Einen Moment lang sah er beinahe verletzlich aus.
    Ravna streckte eine Hand zu ihm aus. »Das Gedächtnis?«
    Pham Nuwen nickte. »Verdammt. Das ist etwas, wofür ich euch nicht zu danken habe.«
    Pham Nuwen war infolge eines gewaltsamen Todes gefroren worden, nicht planmäßig. Es grenzte an ein Wunder, dass die Vrinimi-Org ihn überhaupt hatte wiederbeleben können – zumindest mit der Technik des Mittleren Jenseits. Doch das Gedächtnis war das Schwierigste. Die chemische Grundlage der Erinnerung übersteht ein chaotisches Einfrieren nicht gut.
    Das Problem reichte aus, um selbst Pham Nuwens Ego um ein, zwei Größen schrumpfen zu lassen. Ravna hatte Mitleid mit ihm. »Es ist unwahrscheinlich, dass irgendetwas völlig verloren ist.
    Sie müssen nur für manche Dinge einen anderen Ansatzpunkt finden.«
    »… Ja. Ich bin darüber instruiert worden. Beginnen Sie mit anderen Erinnerungen, arbeiten Sie sich seitlich an Dinge heran, an die Sie sich nicht geradezu erinnern können. Tja…« Etwas von seiner Unbeschwertheit kehrte zurück, aber auf ein wirklich recht bezauberndes Niveau gedämpft. Sie unterhielten sich eine Weile, während der Rotschopf sich um die Stellen herumarbeitete, an die er ›sich nicht geradezu erinnern‹ konnte.
    Und allmählich empfand Ravna etwas, das sie gegenüber einem aus dem Langsam nie erwartet hätte: Ehrfurcht. In einem einzigen Leben hatte Pham Nuwen anscheinend alles vollbracht, was einem Wesen im Langsam nur möglich war. Schon immer hatten ihr die Zivilisationen Leid getan, die da unten gefangen waren. Niemals konnten sie die Herrlichkeit erfahren, vielleicht nicht einmal die Wahrheit. Doch mit Glück und Geschicklichkeit und purer Willenskraft hatte dieser Bursche Barriere um Barriere übersprungen. Hatte Grondr die Wahrheit gekannt, als er das Bild des Rotschopfs mit Schwert und Kugelbüchse entworfen hatte? Denn Pham Nuwen war wirklich ein Barbar. Er war auf einer herabgesunkenen Kolonialwelt geborenen worden – Canberra nannte er sie. Der Ort klang sehr nach der mittelalterlichen Nyjora, allerdings ohne Matriarchat. Er war das jüngste Kind eines Königs gewesen. Er war mit Schwertern und Gift und Ränken aufgewachsen, hatte in steinernen Burgen an einem kalten, kalten Meer gelebt. Zweifellos wäre dieser kleinste Prinz am Ende ermordet oder allenfalls König geworden, wenn das Leben auf mittelalterliche Weise weitergegangen wäre. Doch als er dreizehn war,

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